Interview: Deicide - Glen Benton

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Ich hoffe, die Hoffman-Brüder lesen dieses Interview und ficken sich verdammt noch mal selbst.

Deicide-Frontmann und Death-Metal-Legende Glen Benton ist bekannterweise nicht gerade der pflegeleichteste Musiker. Auch im Stormbringer-Interview wirkte die 46-jährige Genre-Ikone anfangs lustlos und reserviert, taute aber genau in den Momenten auf, wo er zum personellen Rundumschlag ausholen konnte. Ein seltenes Gespräch mit einem Künstler, dem das gesamte Rundherum wichtiger ist als die Business-PR-Maschinerie.

Veröffentlicht am 22.11.2013

Glen, erst einmal Gratulation zu deinem neuen Album "In The Minds Of Evil" – noch keines davor hat sich so thrashig angehört wie dieses. Wie siehst du das?

Ich weiß nicht ob ich das auch so sehe. Es hat viele eingängige Hooklines und ist sehr catchy.

Ihr habt – wie schon bei "To Hell With God" (2011) – in den Audiohammer Studios in Florida aufgenommen und dieses Mal Jason Suecof an die Regler gelassen. Wo lagen die größten Unterschiede?

Jason ist ein DEICIDE-Fan der ersten Stunde und hat wohl auch aus persönlichen Gründen an dem Album mitgearbeitet. Er wollte uns unbedingt wieder dorthin bringen, wo wir bei den ersten Alben gewesen sind. Wir haben schon viele Produzenten probiert, aber Jason hat wirklich sein Ding durchgezogen und das auch aus der Fanperspektive gemacht.

Wann hast du begonnen die Songs für „In The Minds Of Evil“ zu schreiben?

Das war letztes Jahr. Jeder hat so seine Teile der Musik in den Proberaum mitgebracht und dann haben wir daran herumgefeilt.

Sind im Prinzip nicht du und Drummer Steve Asheim für das Songwriting verantwortlich?

Auch Jack Owen und Kevin Quirion. Wir haben alle unseren Teil dazu beigetragen.

Ich finde es sehr interessant, dass du mittlerweile ein elftes Album mit satanischen Texten vollgefüllt hast. Woher kommen dir immer wieder Ideen dafür?

Das kommt ganz von selbst, Mann. Ich meine, die Welt in der wir leben gibt mir all die Inspirationen, die ich dazu benötige.

Brauchst du eine gewisse Gemütslage, um die Texte zu schreiben?

(überlegt lange) Das war einmal so, aber mittlerweile bewege ich einfach meinen Arsch, setze mich hin und fange zu schreiben an. Kevin hilft mir in gewissen Teilen beim Texte verfassen und dabei ist er immer sehr motiviert. Seine Motivation und auch die Hingabe erleichtern mir den ganzen Arbeitsprozess erheblich.

Und wie war das dann früher? Musstest du da wirklich immer in der passenden Verfassung sein?

Naja, früher passierte ziemlich viel verrückte Scheiße in meinem Leben, was mich dann automatisch zu vielen Texten inspiriert hat (lacht).

Wie hast du dich denn als Mensch die letzten zehn Jahre verändert?

Ich lasse mich einfach von niemandem mehr verrückt machen.

Du hast mit dem Bild „Power Of The Mind“ des australischen Künstlers Simon Cowell ein ziemlich gruseliges Cover-Artwork für das Album gewählt. Versteckt sich dahinter eine besondere Botschaft?

Es geht einfach um „In The Minds Of Evil“. Um all die Verrücktheiten, die in der Welt heutzutage passieren. Die Massenmorde, terroristischen Anschläge, Bombenattacken und das ganze Zeug. All das hat gemein, dass diese dunkle verlorene Seele am Cover auf sich selbst schaut. Ich habe vielen Leuten von meinen Ideen erzählt, aber niemand kam mit einem Ergebnis, so wie ich es mir vorgestellt hätte. Das Bild von Cowell habe ich dann im Internet gefunden und es hat genau das visualisiert, was ich mir gewünscht habe. Die inneren Dämonen kontrollieren die Menschheit.

Wenn du von Terrorismus sprichst – im Dezember 1992 gab es ja einen Anschlag bei einem Konzert von euch in Stockholm.

Das sagst du – ich würde das eher als Feuerwerkskörper bezeichnen.

Du hast in anderen Interviews auch schon gesagt, dass du „In The Minds Of Evil“ in gewisser Weise ein „Legion“-Feeling verpassen wolltest. Wie hast du versucht, dieses Ziel zu erreichen?

(lacht) Das ist mir nicht einmal im Traum eingefallen, aber Jason Suecof hat mich dazu gepusht und wollte unbedingt meine Vocals in die „Legion“-Schiene legen. Er hat mich etwas wegbewegt vom ganz tiefen Gegröle und zurück zu meiner natürlicheren Stimme gebracht. Was die Leute vielleicht als passenden Vergleich zu damals sehen ist die Tatsache, dass es mir früher auch scheißegal war und ich nicht sonderlich auf meine Stimme geachtet habe. Im Laufe der Zeit wurde es in der Szene aber immer wichtiger, wer denn wohl am tiefsten growlen kann. Ich habe schon auf „To Hell With God“ angefangen, wieder zurückzurudern und klinge auf „In The Minds Of Evil“ einfach mehr nach mir selbst. Es war auf jeden Fall verdammt anstrengend und hat viel Zeit gekostet.

Wird es für dich mit fortlaufendem Alter schwieriger, richtig derb zu growlen?

Nein, da geht es gar nicht um erzwungene Dinge, sondern darum, dass du bei den ganz tiefen Growls ja kein verdammtes Wort verstehst. Also habe ich mich mehr auf meine Aussprache konzentriert. Recht machen kannst du es nie allen, aber ich denke der Großteil der Leute bevorzugt meine aktuelle Art und Weise des Singens, als nur allertiefste und unverständliche Kellertöne geliefert zu kriegen.

Die Instrumental-Arbeit auf dem Album ist wieder außer jeder Kritik. Vor allem die kopfverdrehenden Soli und Steve’s viehische Drum-Leistungen sind der Wahnsinn. Doch warum hast du nach „To Hell With God“ Ralph Santolla endgültig gekickt und fix durch Kevin Quirion ersetzt?

Jeder, der Ralph kennt oder schon mal mit ihm zu tun hatte weiß, dass er eine ganze Wagenladung voller Probleme hat. Ich kann niemanden verteidigen, der sich uns gegenüber so respektlos verhält wie Ralph. Ich habe ihn 2011 mitten in der Europa-Tour rausgeschmissen und in Italien zurückgelassen, weil er total außer Kontrolle war und nur mehr gesoffen und Drogen geschmissen hat. Die ganze Sache wurde dann auch auf der Bühne ziemlich peinlich. Der Kerl hatte bei uns die Riesenchance, sich einen wirklich guten Namen zu machen, sein Image noch einmal komplett zu drehen und er hat auf allen Linien total verschissen. Ich habe ihm einige Chancen gegeben, sich zu beweisen und er hat es jedes Mal völlig verkackt. Auch OBITUARY haben ihn aus diesem Grund rausgeworfen. Er wurde einfach aus jeder Band in der er spielte rausgeworfen, weil Ralph Ralph’s größter Feind ist.

Kevin war schon immer unser Back-Up-Gitarrist und es war die einzig logische Entscheidung, ihn zu einem Vollzeit-Mitglied zu befördern. Ich habe Kevin gefragt, was er sich so vorstellt und er hat immer gesagt, er möchte sich gerne an die alten DEICIDE-Tage orientieren, also haben wir uns darauf konzentriert. Und er hat ja auch wirklich viel gutes Zeug für dieses Album erschaffen.

Weil du gerade von Alkohol und Drogen fabuliert hast – ist DEICIDE mittlerweile eine gesundheitsbewusste Band?

Mit Drogen und dem Saufen habe ich schon vor langer Zeit aufgehört. Kevin macht das sowieso nicht. Er und Steve werden sicher niemals ihre Liebe zu Weed aufgeben, aber ansonsten sind wir sehr professionell. Wir sind aber vor allem innerlich gesund. Es gibt bei uns kein Drama, keine inneren Konflikte, keinen Ego-Bullshit und auch keine rauen Worte. So hätte es eigentlich immer sein sollen.

Das mit dem Drama stimmt aber nicht so ganz, denn erst unlängst gab es ja massiven Krach auf eurer US-Tour mit Broken Hope, wo sich beide Bands an gegenseitigen Anschuldigungen förmlich übertrumpften.

(Setzt dreimal zum Satz an) Das waren alles Gründe, die ich jetzt nicht mehr diskutieren möchte. Sie wollten Gerechtigkeit, weil ihre Gefühle verletzt wurden, aber sie haben sich bei DEICIDE entschuldigt und das Ganze ist jetzt Schnee von gestern.

Waren deine Söhne Daemon und Vinnie ein Mitgrund, dass du das Trinken beendet hast?

Ich war nie so wirklich der Trinker, Mann. Wenn du einmal ein paar Scheidungen hinter dir hast, dann kann ich dir garantieren, dass du auch mal öfter zum Saufen ansetzt. Ich trinke weder harte Shots, noch Bier. Wenn ich mal ein gutes Essen genieße, dann trinke ich ein paar gute Gläser Wein dazu, aber das war’s auch schon. Ich schütte mir das Zeug nicht täglich rein. Ich werde auch älter, ich mache das Ganze jetzt schon seit fast 30 Jahren, da kannst du unmöglich die ganze Zeit an der Flasche hängen.

Treten deine Söhne musikalisch in deine Fußstapfen?

Beide spielen Gitarre, aber ich lasse sie einfach machen, versuche sie nicht zu formen. Sie sollen einfach gute Menschen werden und das Beste aus sich herausholen.

Zurück zur Musik – eure aktuelleren Werke werden allgemein gerne mit den alten DEICIDE-Scheiben in einen Kontext gesetzt. Nerven dich diese Vergleiche?

Diese Aufregung und der Spaß, den wir am Anfang immer hatten, starben etwa zu „Serpents Of The Light“ 1997. Es wurde dann immer turbulenter, aber die Freude und Motivation kehrten bei den letzten Alben wieder zurück. Veränderungen sind eben manchmal notwendig, auch um sich vorwärts zu bewegen und sich besser zu fühlen. Das ging unseren Fans, aber auch uns selbst so.

Was hältst du davon, einmal ein ganzes Klassiker-Album an einem Stück zu spielen? Die „Deicide“- oder „Legion“-Langrille etwa.

Wenn ich wirklich nur das „Legion“-Album spielen würde, wäre die Show nach 29 Minuten beendet. Ich würde mich dann schuldig fühlen, den Leuten für eine so kurze Performance das Geld aus der Tasche gezogen zu haben.

Dann müsstest du eben zwei Alben an einem Abend spielen.

Ich habe das einfach nicht nötig, ich hau ja auch keine Disco-Dance-Alben auf den Markt. Wir werden auf unseren Konzerten natürlich einen Haufen neue Songs spielen, weil sie auch stark sind. Das ist wie bei IRON MAIDEN. Sie spielen zwar immer viele Klassiker, lassen die neuen Songs aber nicht außen vor. Mir tun viel mehr die Bands leid, deren aktuellen Platten so schlecht sind, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt als ausschließlich auf Altes zurückzugreifen.

Wie fühlt man sich als Flaggschiff der Death-Metal-Szene, das mit Sicherheit auch die jungen Nachfolger der Szene beobachtet?

Es gibt viele gute Talente da draußen Mann, das kannst du mir glauben. Würden sie uns den Respekt geben, den wir uns fraglos verdienen, könnte das auch auf Gegenseitigkeit beruhen. Es gibt so viele 18-jährige Punks da draußen, die einfach keinen Respekt zeigen. Hätte es Bands wie DEICIDE, OBITUARY oder CANNIBAL CORPSE nicht gegeben, würden sie noch immer an den Zitzen ihrer Mütter nuckeln. Mir würde ja auch niemals einfallen, meinen Idolen der alten Zeiten respektlos gegenüberzutreten. Aber es gibt so viele Kids, die ihr Maul groß aufreißen und auf dicke Hose machen. Das ist einfach scheiße.

Es gibt noch immer einige DEICIDE-Fans, die sich die Hoffman-Brüder zurückwünschen.

(lacht)

Hast du in irgendeiner Art und Weise Kontakt mit ihnen?

Ich habe mit den Typen seit knapp zehn Jahren kein Wort mehr gewechselt und bin auch nie mit der Scheiße mitgeschwommen, die sie verzapft haben. Es gab so viele Peinlichkeiten und so viel Bullshit, den sie über mich und Steve erzählten. Die beiden werden niemals wieder ein Teil meines Lebens sein. Jeder, der sie immer noch gutheißt oder gerne sehen würde, sollte sich eine Hand vor den Mund halten und eine vor den Arsch. Dann wünsch dir das Comeback in die eine Hand und scheiße in die andere – wir werden sehen, welche sich zuerst füllt.

Hast du dir jemals ihr AMON-Album angehört?

Ich habe Teile davon gehört und war wenig überrascht von dem beschissenen Gitarrensound. Das hat doch alles keine Substanz. Das ist nicht einmal eine richtige Band, die Mitglieder verschwinden ja wieder in Scharen. Ich bin nicht der einzige, der mit dem Arschloch Eric Hoffman nicht klarkommt. Ich komme aus eine normalen Familie und kann mit Rassismus nichts anfangen. Aber das sind die beiden Hoffman-Brüder. Sie sind totale „German-Racists“. Sieh dir das doch nur mal an. Was sind AMON schon? Das ist keine richtige Band, sie sind nie auf Tour – es ist nur Eric Hoffman, der ein totales Scheißalbum geschrieben hat, um seine Drogengewohnheiten zu finanzieren und seine Rechnungen zu bezahlen. Seine Mutter hat ihm das ganze Projekt finanziert und auf ihn aufgepasst. Es ist einfach nur lächerlich. Ich hoffe stark, dass sie das lesen und sich verdammt noch mal selbst ficken.

Du bist jetzt 46 Jahre alt und hast ein sehr bewegtes Leben hinter dir, indem du des Öfteren stark provoziert hast. Bereust du rückblickend etwas davon?

Auf keinen Fall – es gibt absolut nichts zu bereuen.

Hast du jemals daran gedacht, dir das eingebrennte verkehrte Kreuz auf deiner Stirn zu entfernen?

Nein.

Du bist ein begeisterter Biker, der sehr viel Zeit in dieses Hobby investiert. Kam dir niemals der Gedanke, mit DEICIDE kürzer zu treten und dich stärker diesem Interesse zu widmen?

Nein, DEICIDE ist, was ich mache und was ich bin. Das ist so als ob du Lemmy fragen würdest, ob er mit MOTÖRHEAD aufhört. Du weißt was ich meine? So etwas wird einfach nicht passieren.

Du wirst mit DEICIDE also auch noch in 20/30 Jahren um den Erdball reisen?

Wenn es möglich ist, auf jeden Fall.

Wie geht es denn nach dem Album-Release weiter? Wirst du das Album auch in Europa promoten?

Wir haben erst unlängst ein Video gedreht und schneiden das gerade zusammen. Wichtig ist in erster Linie einmal, dass das Album endlich rauskommt und unter die Leute gestreut wird. Das muss sich jeder anhören. Dann schauen wir weiter.

Was ist eigentlich dein All-Time-DEICIDE-Lieblingssong?

Mann, das ist eine verdammt schwierige Frage. Ich habe einen Haufen Songs, die ich einfach sehr gerne live spiele.

Gibt es andererseits auch Songs, die du nicht magst?

Jeder einzelne, an dem die Hoffmans beteiligt waren.


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