Interview: Markus Stollenwerk

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„Die Zukunft der klassischen Musik liegt in der Fusion mit (Hard-)Rock und Heavy Metal“

Crossover-Spezialist Markus Stollenwerk arbeitete mit Bands wie THERION, GUANO APES und RAGE. Wie der Komponist und Dirigent Markus Stollenwerk die Zukunft der Musik sieht und welchen Ratschlag er jungen Bands geben kann, sagt er im Interview.

Veröffentlicht am 09.02.2013

Markus, danke, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!

Markus, du bist für deine Arbeiten mit THERION, RAGE & LINGUA MORTIIS und GUANO APES bekannt, kommst aber aus der Klassik. Erzähl uns bitte kurz etwas darüber.

Ich habe Musik an der Folkwang Universität der Künste studiert. Meine Hauptfächer waren Komposition, Klavier und Dirigieren. Komposition habe ich studiert, weil ich etwas Eigenes machen wollte. Die "klassische" Musik war mir dann etwas zu verstaubt und zu eingeschränkt, so dass ich mich im Studium vor allem mit moderner Musik beschäftigt habe.

Wie kamst Du zu Deinen Tätigkeiten für THERION, RAGE, GUANO APES?

Zu RAGE kam ich durch meinen Freund, den Produzenten Chris Wolff, der damals am Album „Lingua Mortis“ mit RAGE arbeitete. Ich habe meine Tätigkeit (neben dem Dirigieren) immer als eine Art des „Dolmetschens“ bezeichnet, da Musik eben nicht gleich Musik ist. Wenn Bands ein Orchester hinzufügen, taucht meistens folgendes Problem auf: ein Keyboard kann sehr viel mehr Töne spielen als beispielsweise eine Oboe. Da musste ich dann hin und wieder korrigierend eingreifen. GUANO APES war eines der kleineren Folgeprojekte. THERION sprach mich 2006 an. Wie mir Christofer Johnson später sagte, vor allem wegen meiner Zusammenarbeit mit Rage. Da schloss sich der Kreis also.

Unter vielen Musikern geht die Vorstellung um, dass Klassik und Heavy Metal sich näher sind als etwa Klassik und Popmusik. Korrekt oder eine Zeitungsente?

Absolut korrekt. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: In Zeiten wie diesen, in denen das Publikum für "Klassik" im Grunde kaum mehr vorhanden ist (oder zumindest bald), sehe ich die Rockmusik - vor allem die Verbindung von Rock und Symphonik - als (Achtung, Pathos!) letzten Rettungsanker!

Ein bekannter Musiker aus dem Bereich des opera-metal sagte mir einmal, er hält opera-metal für eine vorübergehende Zeiterscheinung.Eine bekannte Opernsängerin hingegen meinte, es sei ein völlig neues Musikgenre, das sich seinen Platz erkämpft hat und beibehalten wird. Wer hat deiner Meinung nach Recht, der opera-metaller oder die Opernsängerin?

Opera-Metal, als eine Spielart des Metal mag vielleicht eine Zeiterscheinung sein. Ich glaube aber, dass in Zukunft viele Orchester, Intendanten und Komponisten erkennen werden, welches Potential in der Symbiose von Metal/Rock und Symphonik besteht. Daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass etwas Neues entstehen wird, das seinen Platz findet. Insofern haben vermutlich beide Recht.

Eine diplomatische Antwort. Ich halte "A whiter shade of pale" für einen der ersten Symphonic-Rock Songs. Wo siehst Du die Wurzeln?

Genau da! Die Wurzeln liegen vor allem in den 70er 80er Jahren, in denen begnadete Musiker, die zum größten Teil auch "klassisch" ausgebildet waren, begannen, die musikalische Sprache der Rockmusik zu erweitern.
„A Whiter Shade of Pale“, das auf einer Komposition Bachs beruht, zeigt hier besonders gut die Kreativität dieser Künstler. Nicht einfach nur eine Komposition zu nehmen und einen Beat drunter zu legen, sondern daraus etwas ganz Eigenes zu kreieren. Diese Eigenkreation prägt wiederum ein ganzes Genre. Zu diesen Protagonisten zähle ich auf jeden Fall: JETHRO TULL, DEEP PURPLE, PINK FLOYD, QUEEN, FRANK ZAPPA (um nur einige zu nennen).

Wie siehst Du die Zukunft des Heavy Metal?

ch glaube, dass ich mir um den Heavy Metal keine Sorgen machen muss. Er wird immer ein Publikum finden. Seine Musiker und seine Fans sind extrem offen und werden immer wieder neue Einflüsse ausprobieren und so das eine oder andere Subgenre kreieren oder verfeinern.
Ich hoffe aber, dass Metal/Rock seinen Einzug in die Köpfe, Herzen und Häuser der sogenannten Hochkultur nehmen wird. Ich sagte ja schon, dass ich in einer wirklichen Symbiose von Symphonik und Rock/Metal die Zukunft der sogenannten klassischen Musik sehe. Für mich persönlich ist sie es in jedem Fall.

Was würdest Du jungen Bands raten, die symphonische Aspekte in ihre Musik integrieren wollen? Wie sollen sie vorgehen?

Sie sollten vor allem viel symphonische Musik hören. Dabei ist die "klassische" Musik gar nicht so interessant. Viel eher dürfte die musikalische Sprache der Romantik und des späten 19. Jahrhunderts ein guter Fundus für Ideen sein, da hier sehr viel mit Effekten und Atmosphären gearbeitet wurde.
Vor allem sollten sie sich mit der Struktur von Orchestermusik und dem unterschiedlichen Gebrauch der Instrumente beschäftigen.
Es gibt glücklicherweise momentan eine Entwicklung bei einigen Projekten, das Orchester auch wirklich wie eines zu gebrauchen. Ein sehr gutes Beispiel (wenn auch aus einem anderen Genre) ist meiner Meinung nach die CD Stadtaffe von Peter Fox (allerdings auch schon von 2008).


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