Interview: LEPROUS - Einar Solberg

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Nur wenn man sich von dem Druck, der Erwartungshaltung von Fans und Medien etc. lösen kann, kann man auch etwas Einzigartiges und Ehrliches erschaffen.

LEPROUS haben mit "The Congregation" eines der besten Prog-Alben der letzten Jahre eingespielt. Grund genug, mit Bandkopf Einar Solberg über das Album, Sozialkritik und Rebellion im Metal zu sprechen...

Text: Luka
Veröffentlicht am 06.08.2015

Hallo Einar, zum Einstieg gleich mal Gratulationen an LEPROUS für „The Congregation“, euer stärkstes Album bis jetzt und gleichzeitig ein schwerer Favorit für das Album des Jahres 2015. Seid ihr zufrieden mit den Rückmeldungen von Presse und Fans?

Hey, dankeschön, das bedeutet uns viel! Die Rückmeldungen waren wirklich toll und wir fühlen uns ziemlich geehrt. Während dem Songwriting von „The Congregation“ haben wir gar nicht daran gedacht, wie es sich für andere Leute anhört, das hätte uns nur abgelenkt. Aber dass wir dann gleich von Anfang an dieses durchweg positive Feedback bekommen haben, freut uns natürlich sehr.

Wie habt ihr „The Congregation“ aufgenommen? Habt ihr seit dem Vorgänger „Coal“ etwas an eurer Herangehensweise im Studio geändert?

Naja, bei „Coal“ war das Songwriting weniger strukturiert und wir hatten auch weniger Zeit, also haben wir noch viel im Studio machen müssen. Damals hatten wir keine Ahnung wie das Album werden wird und als wir gemerkt haben, dass „Coal“ uns gut gefällt, ist uns ein Stein vom Herzen gefallen. Bei „The Congregation“ haben wir ganz anders gearbeitet: Ich habe mir selbst das Ziel gesetzt, pro Woche an zumindest zwei Songs zu arbeiten, bis ich 30 zusammen hatte. Dann haben wir uns alle Songs stundenlang gemeinsam angehört und dann auch gemeinsam entschieden, was wir mit welchen Songs machen wollen. Es war also wirklich harte, disziplinierte Arbeit, im Gegensatz zum eher impulsiven „Coal“.

Wie siehst du „The Congregation“ im Vergleich zu den Vorgängeralben?

Also ich persönlich bin sehr stolz auf „The Congregation“, ich denke es ist unser reifstes, aber auch emotionalstes Album (und eingängig ist es auch!). Wir haben den Mut gehabt, das zu tun was wir wollten, ohne uns um eventuell negative Reaktionen zu kümmern. „Coal“ finde ich eher langsam, düster und atmosphärisch, während „The Congregation“ strukturierter und fokussierter ist.

Echte Metal-Parts gibt es ja auf „The Congregation“ nicht mehr wirklich, nur beim Ende von „Rewind“ oder Teilen von „Down“ sind noch aggressive Parts zu hören. Im Gegensatz dazu waren bei „Coal“ noch Songs wie „Contaminate Me“ dabei, die schon fast Richtung Death Metal gehen. War das Absicht?

Naja, ich mag schon noch viele Extreme-Metal-Bands und es war sicher keine bewusste Entscheidung, keine Metal-Elemente mehr zu verwenden – Metal ist sicher noch ein Teil von LEPROUS. Und obwohl es nicht allzu viele Metal-Parts auf „The Congregation“ gibt, ist das Album noch immer ziemlich heavy und düster – zumindest für ein Prog-Album! Außerdem ist das Ende von „Rewind“ der schnellste Part, den wir je gespielt haben, das wird ziemlich schwer werden, das live gut rüberzubringen, vor allem für eine Band, die ohne Drumtrigger spielt (lacht).

Das Albumcover von „The Congregation“ finde ich besonders gelungen. Wie ist es dazu gekommen?

Als wir uns nach Referenzen für mögliche Covers umgeschaut haben, sind wir auf den französischen Künstler Nihil gestoßen. Eines seiner frühen Werke hat mir besonders gefallen und dann haben wir bei ihm wegen des Covers für „The Congregation“ angefragt. Glücklicherweise war er interessiert daran mit uns zusammenzuarbeiten! Das Bild soll die Veränderung und Zerstörung unseres schnelllebigen und selbstverliebten Lebensstils darstellen, was eines der Hauptthemen von „The Congregation“ ist.

Was sind denn sonst noch Themen, die ihr auf „The Congregation“ ansprecht?

„Congregation“ wird ja meist als „Gemeinschaft“ im religiösen Sinn übersetzt, für mich persönlich fallen unter diesen Begriff vor allem Gruppen von Menschen, die unreflektiert und blind irgendwelchen Anführern folgen. In unserer Gesellschaft wird von den Menschen erwartet, sich entsprechend allgemeiner Muster zu verhalten. Und gerade wenn diese Muster destruktiv wirken, müssen wir hier aufzeigen und die Menschen dazu bringen, darüber zu diskutieren. Auf „The Congregation“ beschäftigen wir uns mit einigen dieser Themen, etwa mit der Wegwerfgesellschaft, Massenproduktion etc. Wir wollen aber auf keinen Fall die großen Moralapostel spielen, es geht uns hauptsächlich darum, Fragen aufzuwerfen und Debatten über solche Themen zu starten.

Die Aufteilung des Songwritings bei LEPROUS ist recht ungewöhnlich – Einar, du als Sänger (und Keyboarder) schreibst die Musik, während Gitarrist Tor Oddmund Suhrke die Texte schreibt. Normalerweise ist es ja genau umgekehrt…

Das hat sich einfach so ergeben – wir hatten eigentlich ausgemacht, dass jeder in der Band möglichst selber möglichst viel komponieren sollte. Am Ende war ich anscheinend am meisten inspiriert (lacht)… Diesmal habe ich auch fast die Hälfte der Texte selbst geschrieben, da habe ich auch viel dazugelernt.

In einem viel kommentierten Interview im Rock Hard hat OPETH-Mastermind Mikael Åkerfeldt gemeint, dass die Rebellion aus dem Metal verschwunden ist, was für ihn ein wichtiges Element dieser Musikrichtung ist. Wie siehst du das und fühlst du dich als Teil der Metal- oder einer sonstigen „Szene“?

Nein! Ich mache nur Musik (lacht). Das ist meiner Meinung auch ein Problem mit vielen Bands, dass sie sich mit Nebensächlichkeiten beschäftigen und nicht mit der Hauptsache, der Musik. Nur wenn man sich von dem Druck, der Erwartungshaltung von Fans und Medien etc. lösen kann, kann man auch etwas Einzigartiges und Ehrliches erschaffen. Und mit Rebellion habe ich auch nichts am Hut – mir geht es viel mehr um Ehrlichkeit. Musikalische Rebellionen fühlen sich oft zu gewollt an (lacht).

Wie sieht es denn mit eurer Zusammenarbeit mit IHSAHN aus? Ihr wart ja abseits von LEPROUS schon öfter als seine Live-Band unterwegs. Hat sich das auch musikalisch auf LEPROUS ausgewirkt?

Mittlerweile haben wir uns gemeinsam entschieden, nicht mehr mit ihm zusammenzuarbeiten. Es war für ihn zu riskant, mit uns als Begleitband zu arbeiten, weil wir selber mittlerweile als LEPROUS sehr viel unterwegs auf Tour sind. Wie man so schön sagt: Alle guten Dinge müssen einmal aufhören. Abgesehen davon haben wir uns nicht sehr stark musikalisch beeinflusst und auch nie gemeinsam an Songs gearbeitet. Nur bei der Aufnahme der Vocals habe ich mit IHSAHN und seiner Frau zusammengearbeitet – ich liebe einfach die Atmosphäre bei ihnen im Studio und beide sind sehr kreative Menschen, die mich ständig fordern und pushen.

Ihr werdet „The Congregation“ im Herbst mit einer ausgedehnten Tour promoten. Was erwartet ihr euch von der Tour?

Mann, ich kann es kaum erwarten, wieder unterwegs zu sein und die neuen Songs zu spielen. Je öfter desto besser! (lacht)

Einar, danke für deine Zeit!

My pleasure! Hope to see you at one of our shows!


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