25.8.2021, Notodden Teater, Notodden

LEPROUS - Aphelion Release Konzertstream

Text: Luka
Veröffentlicht am 31.08.2021

Corona sei Dank: Anstatt ihr wieder mal hochklassiges neues Album „Aphelion“ mit einer feinen Tour zu promoten, müssen LEPROUS die neue Scheibe erstmal per Internet und Livestream bekanntmachen. Die Norweger haben ja in den letzten Jahren die Not zur Tugend gemacht und ihre Fans so viel wie möglich über das Netz eingebunden, so z.B. indem sie die Fans Vorgaben zu einem neuen Song machen ließen und den dann „live“ komponiert haben.

Trotzdem ist es natürlich schade, dass „Aphelion“ nur vor einigen wenigen Zuschauern im Notodden Theater in Notodden (Fun Fact: nicht nur LEPROUS-Sänger Einar Solberg kommt von dort, sondern auch die Altmeister IHSAHN und MORTIIS, die sogar im gleichen Jahr 1975 geboren wurden. Wikipedia sei Dank für dieses unnütze, aber vielleicht gerade deswegen lebensbereichernde Wissen) in Norwegen erstmals live aufgeführt wird, aber im Sinne der Völkerverbindung konnten Fans aus allen Kontinenten bei einem der zwei Termine zusehen.

Der Start ist jedenfalls – und das ist gegenüber einem echten Konzert einer der wenigen Vorteile – fast schon pünktlich, etwa zwei Minuten nach Stream-Start geht es schon los; und obwohl es wie im echten Leben kurze technische Probleme mit einem Mikro gibt, legen Simen, Einar, Tor Oddmund, Baard und Robin (der am Album omnipräsente Cellist Raphael Weinroth-Browne ist per Kamera dazu geschalten) gleich mal spielfreudig mit „Running Low“ los. Der Sound ist extrem gut und klar, gefühlt sind die Gitarren etwas mehr nach vorne gemischt, was den Songs noch etwas zusätzliche Kernigkeit gibt. Die Bilder sind ebenfalls top, es wird zwischen mehreren Kameras umgeschalten, was fast schon mehr nach einer professionellen DVD-Aufzeichnung als nach einem Livestream ausschaut.

Durch das veränderte Format liegt der Fokus auch weniger auf den Publikumsreaktionen (die paar Leute im Zuschauerraum können halt doch keine Live-Atmosphäre erzeugen), dafür hat die Band mehr Zeit, Geschichten zu den Songs zu erzählen, bei „Running Low“ etwa beschreibt Einar den Prozess wie es zu dem Song gekommen ist, mit einem Berg-Ausflug, der ein zuvor nicht zufriedenstellendes Lied wieder gerettet hat. Bei „Out Of Here“ gibt es auch wieder leichte technische Schwierigkeiten, aber die Band lässt sich davon nicht beirren und zeigt eine energische Darbietung, vor allem bei den Refrains gehen die Jungs so richtig ab. „Silhouette“ (eine von den „Pitfalls“-Sessions übriggebliebener Song) wird auch zum Besten gegeben, vor allem Drummer Baard gibt Gas und am Ende gibt es sogar einen Bassistenwitz (Basser Simen verwendet bei dem Song nur eine Saite…).

Bei „All The Moments“ kommt der ruhige, fast schon bluesige Charakter des Songs gut heraus, bevor mit „Have You Ever?“ der erste von Simen geschriebene Song (dafür bedankt er sich auch ganz artig in typischer Bassisten-Manier) kommt. Live entwickelt „Have You Ever?“ eine nochmal stärkere Eindringlichkeit, wenn Simen, Einar und Tor Oddmund ihre Keyboard-Magie zusammen entfalten). Auch „The Silent Revelation” hat das Zeug zu einem Live-Kracher, die Kombo von starkem Refrain und einem entfesselten Drummer kann einiges. „The Shadow Side” kommt live ziemlich funky herüber, das Gitarrensolo (mit Seltenheitswert!) ist das i-Tüpfelchen. Dann kommen mit „On Hold“ und „Castaway Angels“ die zwei emotionalen Höhepunkte von „Aphelion“, und auch live verlieren die Songs nichts von ihrer Magie. Das Konzert endet wie die Scheibe mit „Nighttime Disguise”, dem härtesten Song (da hatten die Fans wie vorher gesagt beim Live-Komponieren ihre Finger im Spiel) und damit einem passenden Abschluss.

Das Release-Konzert von „Aphelion“ zeigt schon mal, dass die Scheibe auch live gut herüberkommt (was wegen des komplexen und abwechslungsreichem Materials leicht unerwartet war), und dass LEPROUS in der Form ihres Lebens sind. Die nicht vermeidbaren Nachteile eines Streaming-Konzerts (fehlende Publikumsreaktionen, kaum Live-Stimmung) werden durch die interessanten Zusatz-Informationen (dafür gab es mal früher Liner-Notes… ich werde wohl schon alt…), den tollen Sound, die guten Bilder und die Gelegenheit, das Konzert mehrfach zu sehen, mehr als aufgewogen. Und so kann man sich schon mal darauf freuen, die Band tatsächlich irgendwann einmal wieder live zu sehen (z.B. im Dezember in Wien) und bis dahin „Aphelion“ kräftig im Player rotieren zu lassen.


WERBUNG: Hard
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