29.05.2023, Lanxess Arena, Köln

FREI.WILD + GRENZENLOS

Veröffentlicht am 31.05.2023

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Über Aussendungen…

Pfingsten – das Fest der Aussendung. Der Montag im Jahr, an dem ich in meinen Zwanzigern rundum zerstört meine Heimreise vom Ruhrpott-Rodeo antrat, um wenige Tage später wieder zur Fortsetzung am Nürburgring aufzuschlagen. In diesem Jahr ist es der Tag, an dem der gnadenlose Lenkungsausschuss in der Wiener Stormbringer-Zentrale mal wieder nicht verhindert, dass sich ein westwärts ansässiger Schreiberling zwei Tage vor seinem nächsten Festivaleinsatz selbst nach Köln aussendet, um über das temporäre "Alpen Flair" in der Rheinmetropole zu berichten. Denn dank zweier Bands aus dem Alpenraum darf sich hier heute ein jeder als Gipfelstürmer, Pisten-Profi, Alm-Öhi oder Yeti-Züchter fühlen – den dem berüchtigten Yeti nicht ganz unähnlichen Lord der Frontberichterstattung eingeschlossen.

GRENZENLOS

Soviel vorweg: wo schon der kultige Soundtrack des Bud-Spencer-Klassikers "Zwei außer Rand und Band" vom Band läuft, kann es eigentlich nur freundlich zugehen – so auch in der gigantösen Arena unweit des Rheins. Während sich diese allmählich mit vorfreudigen Besuchern füllt, beginnen die Allgäuer Jungs von GRENZENLOS, den Anwesenden frisch und fröhlich mit ihrem pressfrischen Album "AntiXtrem" einzuheizen. Wobei "Jungs" tatsächlich ein sehr gutes Stichwort ist: Die Burschen sind grob geschätzt um die dreißig und damit altersmäßig (nicht jedoch im diskographischen Sinne) fast noch eine Newcomerband. Mit ihren auffallend euphorischen Hummeln im Hintern rocken sie die für diesen Gig eigentlich viel zu kurzen 35 Minuten ausgiebig. Und obendrein versteht es das Quartett, sein Publikum an der Hand zu nehmen und zum kollektiven Feiern nach bayerischer Lebensart anzuregen – Vokabeln wie "Prosit" und "gsuffa" versteht man schließlich auch in der rheinischen Millionenstadt…auch, wenn man dafür mit Kölsch anstoßen muss [Anm. d. Verf.: Bruce Dickinson gefällt das nicht].

FREI.WILD

Dass Bands wie FREI.WILD oder die ONKELZ ausgesprochen loyale, ja regelrecht bescheuerte Fans (im positiven Sinne) haben, ist längst kein Geheimnis mehr. Insofern macht das Kölner bzw. nach Köln gereiste Auditorium mit der gebotenen Euphorie keine Ausnahme und lässt schon beim THE OFFSPRING-Anheizer aus der Dose die Fahnen wehen und geölte Kehlen erklingen. Die Gastgeber füllen den Abend mit einem zweistündigen Set, bei dem sich elektrische und akustische Songs die Hand geben und einen guten Mix aus intensiven und emotionalen Songs bilden. Das Publikum ist zu allen von der Bühne proklamierten Schandtaten bereit – vom besinnlichen Meer aus Handylichtern bis zu einem Orkan aus schweiß-schleudernden Textil-Ventilatoren in Form von kollektiv gestrippten T-Shirts (was bei näherer Betrachtung auch nicht bedeutend anders ist als bei einem üblichen Heavy-Metal-Konzert…nur dass dort der Schweiß stattdessen aus kreisenden Haaren zentrifugiert wird). Nach einem abermals akustisch gezockten Acht-Track-Gassenhauer-Medley dürfen sich die Pogenden zum Bandklassiker "Sieger stehen da auf, wo Verlierer liegen bleiben" noch einmal sprichwörtlich aufraffen und bei angezogener Schlagzahl etwas für ihren Laktatspiegel tun, bevor der Gong schlägt und die Völkerwanderung mit Kurs auf's Parkhaus einsetzt.

…und Rücksendungen

Nachdem die letzten Klänge verklungen sind und sich der Schweiß des animalischen Tanzes auf dem Boden der Arena niederschlägt, wird es auch für den Verfasser Zeit, das Rücksendeformular in Richtung Heimat auszufüllen. Beladen mit Devotionalen, der Fotoausrüstung und der Gewissheit, heute nicht mehr vorgefunden zu haben als denselben liebenswerten Sauhaufen wie auf jedem anderen Konzert respektive Festival – keinerlei Abscheulichkeiten vor, auf oder hinter der Bühne...abgesehen mal von einem HELENE-FISCHER-Shirt...aber das, liebe Freunde, ist eine Frage des Geschmacks.

Bei diesen Fans ist es auf der einen Seite kein Wunder, auf der anderen Seite und in Anbetracht der prekären Verhältnisse am Konzertmarkt aber trotzdem bemerkenswert – eine der größten Arenen Europas weitgehend gefüllt, eine ausschweifende Party bei bester Stimmung und phänomenalem Sound. Eine Crowd mit Besuchern aller Couleur, aller Altersklassen und aus verschiedensten Szenen – (Deutsch)Rocker, Metaller, eine Handvoll Punker und eine junge Ma mit ihrer zehnjährigen Kurzen. Zu Besuch bei einer Band, die mit steigendem Alter immer herzlicher und liebenswerter zu werden scheint (Alter, schreib' ich das hier gerade wirklich?!) – jede Wette, bei der Tour zum Vierzigjährigen gibt's Kaffee, Kuchen und eine Umarmung für jeden Gast!


Noch mehr Eindrücke gefällig? Hier geht's zum Interview mit Martin Kaun von GRENZENLOS!


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