02.06.2023, Iron Fest Festivalgelände, Schönenberg-Kübelberg

Iron Fest 2023, Freitag, 2. Juni

Veröffentlicht am 07.06.2023

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Intro

Tag zwei – ab heute geht's ans Eingemachte! Neun Bands bei idealem Festivalwetter – um die 25 °C bei 0% Regenwahrscheinlichkeit und leichten Brisen zwischendurch…viel besser kann es für derlei Events kaum kommen, wobei…wenn dieser überraschend frische, ja nahezu arktische Vormittagswind über die Outdoor-Schreibtische unserer Redaktionsunterkunft hinwegfegt, wird das Ausformulieren unserer gestrigen Eindrücke zu einem frostigen Unterfangen [das liegt sicher an den vielen Fehleinschätzungen in einem kürzlich veröffentlichten, gewissen IMMORTAL-Gangbang-Review. Ein STB-Iron Fest-Berichterstatter, der anonym bleiben möchte]. Und ehe man sich versieht, steht der erste von neun Akten schon in den Startlöchern…

(Lord)

LUTHARO

Tag zwei, früher Nachmittag, 14:00 Uhr – die Frisur hält, aber auf dem Festivalgelände ist zu diesen, fast noch frühmorgendlichen Stunden lediglich der Biergarten frequentiert. Eine scheinbar unglückliche Startposition, aus der LUTHARO-Drummer Cory Hofing einer schätzungsweise zwanzig Seelen fassenden "Crowd" (d.h. unmittelbar vor der Bühne, nicht etwa auf dem fürstlich frequentierten Festivalgelände) zuprostet. Aber leck mich fett – wie übel fahren die Kanadier um Sängerin Krista Shipperbottom hier denn bitte auf? Die aus Ontario angereiste Band reißt ihr Publikum mit einer beispiellosen Spielfreude und erstaunlicher Akkuratesse aus dem Mittagsschlaf und macht sich mit ihren zahlreichen Interaktionen und Gags Freunde im Fotograben und auch dahinter. Die Frontfrau verteilt mehr Kicks als Chuck Norris und beeindruckt mit ihrer stimmlichen Brillanz im cleanen wie im harschen Sektor…und zum Ende Ihres Sets haben LUTHARO die überschaubare Besucherschar mindestens verdoppelt.

(Lord)

COBRA SPELL

Nach dem eindrucksvollen Tagesopener wird es quasi ex-verhext auf der Seebühne, denn die niederländischen Newcomerinnen haben zwar nicht Sabrina Spellman aber immerhin Ex-WITCH Sonia Anubis in ihren Reihen. Das sympathische all-female-Quintett, das erst letztes Jahr zu vier Fünfteln neu besetzt wurde, zockt eine erfrischende Mischung aus traditionellem Metal und Heavy Rock: eingängig, energetisch und mit einer gehörigen Portion Härte. Frontfrau Kris Vega ist ein wahrer Wirbelwind am Mikro. Die Sekunden, in denen die Dame sich nicht bewegt, kann man an einer Hand abzählen. [Anm. von Schreiber-Sparringspartner Seriousface: Nicht zu vergessen, dass der Backgroundgesang formidabel und der Dresscode in vorbildlicher Weise sittsam war! Aber die Frontdame hat's tatsächlich drauf, soviel steht fest!] Bei Frau Anubis wird man das Gefühl nicht los, dass sie bei ihrem Hexen-Abgang als Abfindung ihre knäpplichen Outfits erhalten hat und auch das choreografierte Posing ist noch nicht ganz ausgetrieben [vielleicht hätten wir ein Exemplar des Hexenhammers mit in den Fotograben nehmen sollen? Anm. d. Verf.] However, die Mädels geben ordentlich Gas, und Stücke wie "Poison Bite", "Addicted To The Night" oder "Shake Me" entpuppen sich als High Engery Partykracher, bei denen das Publikum vor der Bühne begeistert die Köpfe schüttelt und die Haare (sofern vorhanden) emsig kreisen lässt. Die Spielzeit verfliegt geradezu und mit "Acclerate" verabschieden sich COBRA SPELL vom Iron Fest. Well done Ladies!

(Elizabeth/Ernst)

INDIAN NIGHTMARE

Zeitsprung – 16:00 Uhr, Zeit für Kaffee und Kuchen! Die Ansage "are you ready to get drunk?!" dürfte für den ein oder anderen Besucher ca. einen halben Kasten Bier zu spät kommen, doch bei genauerer Betrachtung erscheint dieser Zustand – von der Sonne aufgeheizt und leicht bedüselt – wie gemacht für den nächsten Akt. INDIAN NIGHTMARE, die Paradiesvögel der anderen Art, schauen ein wenig so aus wie frisch gerupfte und im Fegefeuer gegrillte amerikanische Ureinwohner, was natürlich ganz im Sinne der künstlerischen Ausrichtung der Band ist. Gnadenloser, roher und vor allen Dingen rasant übers Brett geprügelter Black / Speed Metal im Fahrwasser seiner Pionierbands oder Hochgeschwindigkeits-Krawall mit blutiger Kehle – wie man es auch nimmt, das internationale Gespann geht in jeder Hinsicht durch die Decke. Sanftmut, Pausen und Tempiwechsel sind hier ein Fremdwort [am Merchstand nach dem Gig, beim Anblick des jünsten Stormbringer-Crüe-Mitgliedes (zarte acht Monate alt) verfielen ebenjene kriegsbemalten Blutkehlen-Krawallbrüder allerdings in eine massive "Ach nee wie süß, der kleine Racker"-Trance. Einen größeren Kontrast zur Bühnenshow könnte es wahrlich nicht geben. Anmerkung vom höchst amüsierten Ernst.], dafür gelingt jedoch das Crowdsurfen bei minimalem Personalaufwand – einmal quer übers Infield und zurück. Ein Abriss allerhöchster Güte.

(Lord)

STORMZONE

Mit STORMZONE entert die erste Band des Festivals die Stage, die als Erfrischung während des Konzertes ausschließlich flaschenabgefüllten Hopfenblütentee geordert hat – (Nord)Iren halt. Das Quintett aus Belfast sprintet supergut gelaunt auf die Bühne und startet die Show mit "Where We Belong" von ihrem 2011er Album "Zero To Rage". Anschließend folgt der Hit "Another Rainy Night" und spätestens jetzt ist das komplette Auditorium auf Betriebstemperatur gebracht. Sänger Harv hat sich frisch von seiner Matte getrennt und trägt einen sommerlich-modernen Kurzhaarschnitt zu Schau. Dazu gibt es Posing und eine Bewegungsmotorik, die man sonst eher von musikalischen Stammgästen des ZDF-Fernsehgartens kennt. Aber der sympathische Frontmann weiß seinen eminenziellen Roland Kaiser-Gedächtnis-Habitus durchaus zielgruppenorientiert einzusetzen. Das Publikum dankt es dem Mikrobearbeiter und seinen instrumentalen Trinkgefährten mit laustarker Unterstützung während und großem Beifall nach den einzelnen Stücken. Mit "Ignite The Machine" haben STORMZONE auch den Titeltrack ihrer aktuellen Scheibe am Start. Als vorletztes Stück gibt es die herrliche Mitsing-Nummer "Your Not The Same". Dann folgt noch der Rausschmeißer "Death Dealer", ehe sich die fünf Herren mit vielen Thank Yous bei der Crowd verabschieden. Auf dem Weg zum See werden dutzende Metallerhände geschüttelt und bereitwillig jede Menge Fotos mit den begeisterten Fans geschossen.

(Elizabeth/Ernst)

REZET

Alte Thrash-Freunde oder Freunde von altem Thrash dürften mit der nächsten Band im Lineup ihre Freude haben. REZET aus Schleswig-Holstein bewegen sich irgendwo zwischen "Kill 'Em All"-METALLICA, frühen MEGADETH und einer Prise TESTAMENT – und sie ziehen diese Nummer straight und kompromisslos durch. Es gibt dazu insoweit nicht viel zu erzählen, als dass sich der Vierer ohne großes Brimborium auf genau diese eine Sache konzentriert und die Musik für sich sprechen lässt – einzig Tieftöner Lorenz Kandolf geht ab, als habe er drei Liter flügelverleihenden Muntermacher intus. Bemerkenswert ist dabei, dass er trotz seiner ekstatischen Choreografie noch dazu in der Lage ist, seinem Langhals die richtigen Töne herauszumassieren. Die Nummer mag mehr was für ausgemachte Musikfreunde, denn für Konsumenten multisensorischer Bespaßungs-Shows sein, doch in Anbetracht der potenten Liveperformance und der guten Songs ist es schon ein wenig schade, dass der Bereich um die Bühne nicht mehr als 60 bis 70 Headbanger am Start hat (siehe LUTHARO).

(Lord)

STALLION

Beim folgenden STALLION handelt es sich nicht um den stalloneschen Italian. Vielmehr geben sich die Speedsters aus dem württembergischen Weingarten die Ehre. Und das Spandex-Geschwader verwandelt die Seebühne augenblicklich in eine Zeitreisemaschine back to the Eighties! Melodischer Oldschool Speed Metal ist angesagt und STALLION lassen von der ersten Sekunde an keinen Zweifel aufkommen, dass sie mit ihrem Gig die Stage (musikalisch) in Schutt und Asche legen werden. Entsprechend startet die Combo ihr Set mit "Walking Demons" vom vorletzten Langdreher. Und bereits im ersten Song werden die Boxen vor der Bühne immer wieder exzessiv als Laufsteg und für intensives Posing genutzt. Das Publikum flippt schon bei den ersten Tönen komplett aus und ist für den Rest des Konzertes nicht mehr zu halten! Kein Wunder bei Speed-Abrissbirnen wie "No Mercy" oder "From The Dead". Bei "Kill Fascists" schwenkt Frontmann Pauly eine riesige Regenbogenfahne – ein so eindeutiges wie lobenswertes Bekenntnis für Diversität und gegen Diskriminierung jeglicher Art. Es folgt der Signature-Track "Wild Stallions" vom Debütalbum "Rise And Ride". Gassenhauer wie "Underground Society", "All In" oder "Rise And Ride" runden die exzellente Vorstellung ab, ehe der Gig mit DEM STALLION-Song schlechthin endet: "Canadian Steele". Meine Herren, es war mir ein Fest!

(Ernst)

AMBUSH

Kommen wir zu einem meiner Faves des Tages, wenn nicht sogar des ganzen Lineups – den längst zum Geheimtipp bzw. Underground-Aufsteiger avancierten Heavy Metallern AMBUSH aus Schweden. Mit ihren drei gutklassigen Studioalben haben sie sich ihren Status als solche hart erkämpft und verdient, doch kommen die Tracks auf der Bühne eine gute Ecke intensiver und schmissiger rüber. Der Grund dafür ist einfach: Die im musikalischen Sinne "altgebliebenen" Jungspunde um Oskar Jacobsson zelebrieren ihr Altmetall mit einer Spielfreude und Leidenschaft, die vielen, insb. altgedienten Wegbegleitern abgeht. So viel Feuer sieht man meiner bescheidenen Beobachtung nach (fast) nur noch im Underground und insb. bei jungen Musikern wie den fünfen auf der Bühne. Die Burschen spielen sich gegenseitig die Bälle zu, flitzen kreuz und quer über die Bühne und infizieren flugs den ganzen Platz. Die Stunde Spielzeit vergeht wie im Flug und wenn die Schweden nicht fünf Minuten vor ihrer Zeit von dannen zögen, wäre die Sache perfekt – aber besser kurz und feurig als lang und langweilig.

(Lord)

ARTILLERY

Wo wir schon beim Thema "Spielfreude im Alter" sind: mit ARTILLERY betritt kurz vor dem großen Finale mit ANGEL DUST eine nicht mehr ganz so junge Band die Bretter – und überführt den Verfasser der obigen Zeilen quasi auf dem Fuße der Täuschung. Wie war das nochmal mit "so viel Feuer gibts nur bei jungen Musikern?!" – von wegen…der Lack mag bei den alten Recken von ARTILLERY nicht mehr der Frischeste sein, doch unter der Haube läuft die Maschinerie wie runderneuert. Es mag zum Teil den wesentlich jüngeren Mitstreitern – Sänger Søren Adamsen und Drummer Frederik Kjelstrup Hansen – geschuldet sein, doch was das alte Flaggschiff hier zum Besten gibt, ist einfach nur beeindruckend. Jede Note sitzt, der von Anfang an präsente Druck verliert über die Distanz des Gigs nicht das kleinste Millibar und der Verfasser fragt sich zuweilen, ob bei so viel Highspeed-Präzision nicht ein klitzekleines Stückchen vom Band läuft. Doch wieder am Wellenbrecher angekommen, straft mich die Saitenfraktion dreifach Lügen und versetzt mich beim Blick auf die Griffbretter beinahe in Übelkeit. Was für eine abartige Schlagzahl, was für eine Präzision…wie eine Industrienähmaschine auf Überspannung…der absolute Wahnsinn – hier ist der Name wahrlich noch Programm!

(Lord)

ANGEL DUST

Den Headlinerposten bekleiden an diesem Abend ANGEL DUST, eine der bis heute am meisten unterbewerteten Bands in ganz Metal-Deutschland. Die staubigen Engel hatten ihre Hochzeit in den Achtzigern und dann noch einmal nach der Reunion Ende der Neunziger. Huldigte man auf dem grandiosen 80ies Longplayer "To Dust You Will Decay" noch dem anspruchsvollen melodischen Thrash, wandelte sich der Sound auf den Folgealben "Border Of Reality" (1998) und "Bleed" (1999) mehr in Richtung Melodic Power Metal. Der Qualität der Musik von ANGEL DUST tat dieser Stilwechsel allerdings keinen Abbruch. Man darf also gespannt sein, was die Altherrenriege aus Dortmund dem Publikum so alles bieten wird. Nun – zuerst einmal, der Bassersatz, der für das leider letztes Jahr verstorbene Bandurgestein Frank Banx eingesprungen war, und nicht Schiff- aber immerhin einen Beinbruch erlitten hatte, ist bewegungstechnisch ziemlich eingeschränkt. Dazu gesellt sich ein weiterer Vorfall, nämlich jener der Bandscheiben von Gitarrero Bernd. So zieren dann auch gleich zwei Hocker die Stage um den beiden angeschlagenen Rockern etwas Erleichterung für zwischendurch zu bieten. Alle Achtung aber, dass die beiden Herren die Show konsequent bis zum Ende durchziehen – that's fuckin' Heavy Metal! Frontaxtschwinger und Mikromalträtierer Dirk Turisch scheint gefühlt in den letzten Wochen sämtliche Energie, die er irgendwie greifen konnte, in sich aufgesogen zu haben, nur um sie schlagartig auf der Iron Fest-Bühne zu entladen. Der Mann ist Power pur, auch wenn er um das Gesicht herum aussieht, wie eine metallische Version von Horst Lichter! ANGEL DUST starten die Show mit "Human Bondage" vom letzten Album, das allerdings schlappe zwanzig Jahre zurück liegt. Es scheint heute Abend also nicht "Bares für Rares" sondern vielmehr "Rares für Bares" auf die Ohren zu geben. Trotz der motorischen Probleme zweier Hauptakteure ist der Sound top und die Spielfreude ungetrübt. Die Setlist erstreckt sich über die gesamte Schaffensperiode der Band und der Verfasser ist natürlich aufs Höchste verzückt, als noch während seiner Anwesenheit im Fotograben sein persönlicher ANGEL Dust-All-Time-Favorit "Addicted To Serenity" erklingt, der nicht nur von ihm, sondern vom gesamten Auditorium aus voller Kehle und mit aller erdenklicher Innbrunst mitgesungen wird. Nachdem der frenetische Applaus für die Nummer verebbt ist, wird bereits lauthals "Border Of Reality" gefordert. Doch ANGEL DUST geben zunächst ein brandneues Stück ihres kommenden Albums zu Besten. Aber natürlich bleibt der Songwunsch nicht ungehört und auch der Signature-Track wird im Folgenden zur Darbietung gebracht. Die DUSTies feiern gemeinsam mit dem Publikum eine berauschende Metal-Party. Während sich die Stormbringer-Crüe schließlich auf den Heimweg ins 10 km entfernte waldmohrige Pressezentrum macht, wird sie angemessen vom letzten Song des Abends begleitet. Schön war's!

(Ernst)

Fazit Tag 2

Der Freitag endet (temperaturtechnisch) so kühl, wie er begonnen hat. Doch von 14.00 bis 00.00 Uhr war es heiß am Ohmbachsee! Das Mittelstück des Iron Festes bot einmal mehr eine riesige Metalsause mit abwechslungsreichem Billing, gut aufgelegten Bands und Fans, humanbepreister Verköstigung mit und ohne Fleischanteil, sowie allerlei schmackhaften Kaltgetränken. Ein Highlight dürfte für die anwesenden Besucher (wie schon am Vortag) der Fakt gewesen sein, dass wirklich jede Band nach ihrem Gig an ihrem jeweiligen Merch-Stand vorbeischaute, geduldig CDs, Vinyl und Patches signierte und sich immer wieder mit den Metalheads für diverse Erinnerungsfotos ablichten ließ. Das nenne ich wahre Fannähe und eine echte Win-Win-Situation für beide Seiten. Liebe Iron Fest-Organisation, bitte behaltet diese enorm wichtige Connection zwischen Musikern und Publikum auch für die Zukunft bei. Diese Nähe und der direkte Austausch ohne Barrieren und Zäune sind das, was die Metalszene zusammenhält und so besonders macht.

(Ernst)


Mehr Eindrücke vom Iron Fest 2023 gibt's hier:


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