26.05.-28.05.2023, Amphitheater Gelsenkirchen, Gelsenkirchen

ROCK HARD FESTIVAL 2023

Veröffentlicht am 08.06.2023

Abgesagte Tourneen, abgesagte Festvials...2023 scheint kein gutes Jahr für die Livemusikszene zu sein (darüber könnte man einen eigenen Artikel schreiben). Umso erfreulicher, dass das Rock Hard Festival auch dieses Jahr wieder traditionell zu Pfingsten im Amphitheater in Gelsenkirchen statt fand. 

Ganz verschont von kurzfristigen Änderungen blieb das Lineup aber nicht. EXODUS sagten ihre Europaauftritte ab, da sich Gary Holt um seinen im Italienurlaub von einem Taxi erfassten Bruder kümmert, und DISCHARGE sagten ebenfalls kurzfristig ab. Ersatz wurde in beiden Fällen sehr schnell gefunden.


TAG 1

Was trägt schwarz-weiß und kommt aus Schweden? Nein, in diesem Fall sind es nicht THE HIVES, sondern SCREAMER, die am Freitag um 15 Uhr das Festival eröffnen. Als Vorgruppe von SATAN machten sie 2019 eine recht gute Figur und auch hier machen Songs wie „Demon Rider“, „On My Way“ und „Phoenix“ gute Laune. Die Songs vom neuen Album „Kingmaker“, der Titeltrack und „the Traveler“ reihen sich da perfekt ein. Zu diesem Zeitpunkt sieht man noch über 08/15 Frontmannansagen und die etwas statische Bühnenpräsenz hinweg. Das Rock Hard Festival ist schon gut besucht für den frühen Freitagnachmittag, besonders vor der Bühne und auf den mittleren Rängen.

Als nächstes MOTORJESUS. Wenn man im Ruhrpott wohnt, ist es scheinbar unmöglich ihnen zu entkommen. Zum bereits vierten Mal spielen sie hier. „...das spricht für die Qualität der Jungs“, heißt es in der Ankündigung. Eher dafür, dass sie leicht verfügbar, preiswert und gefällig sind. An der Qualität der Songs, wie auch der Musiker, gibt es eigentlich nichts zu meckern. Sänger Chris Birx (hat auch eine Coverband, die CHRIS HOWLING BAND) hat schon eine tolle Stimme, aber leider die Ausstrahlung eines Tankstellenangestellten. Mit der das Gesicht teilweise verdeckenden Schirmmütze (besonders wenn man von den Rängen hinunterblickt) und mitleidigen Ansagen (entschuldigt sich etwa für ein paar schiefe Töne, da er ein bisschen erkältet ist) macht er sich keinen Gefallen. Einfach selbstbewusst auf die Bühne und rocken was das Zeug hält, das wäre genug. Von der Erkältung hat man nichts gehört und zu schiefen Tönen kommen wir später.

„Careless Whisper“ von GEORGE MICHAEL ertönt aus den Lautsprechern und geht in das Intro zu „Def Con II“ von HOLY MOSES über. Die Combo rund um die Grand Dame des deutschen Thrash Metal, Sabina Classen, befindet sich nach 43 Jahren gerade auf Abschiedstournee. 60 Jahre alt wird die Frontfrau am 27. Dezember 2023. An dem Tag findet das allerletzte Konzert der Band in der Hamburger Markthalle statt. Das Alter sieht man ihr kein bisschen an, headbangen tut sie wie jemand, der halb so alt ist. Die Frau hat Energie und offensichtlich Spaß. Unter anderem werden „SSP (Secret Service Project“, „Nothing For My Mum“, „World Chaos“ sowie die neuen Songs „Invisible Queen“ und „Cult Of The Machine“ (der bereits über 80.000 Klicks auf YouTube hat) zum Besten gegeben. Highlight ist aber „Finished With The Dogs“. Zu dem Song kommt jemand, mit dem sie „seit 30 Jahren nicht auf der Bühne gestanden“ und die frühen Songs geschrieben hat. Andy Classen, jetzt mit grauem Bart statt dunklen Locken, zückt die Gitarre, und Band und Publikum freuen sich.

18 Uhr, kurzer Abstecher zum Rahmenprogramm im Satanorium, wo jeden Tag Lesungen stattfinden. An diesem Tag Ernie von Krachmucker TV, der sein Buch „Metal-Manifest“ vorstellt. Mikrofonstörungen gab es an dem Wochenende dort jedes Mal. Was die Lesung für mich aber unerträglich macht, ist der Selbstdarsteller in Jeansweste, kurzen Jeansshorts, Krawatte und Schiffermütze (Shirt wurde noch vorher ausgezogen), der wohl lustig sein soll, oder sich selbst für lustig hält, aber echt nicht mein Humor ist.

Also zurück Richtung Bühne, wo VICIOUS RUMORS schon begonnen haben und die wahrscheinlich beste Performance des Tages abliefern. Bei HOLY MOSES gab es schon das erste, etwas verhaltene Pit, nun wirkt das Publikum vor der Bühne richtig animiert, hat Lust auf Interaktion. Mit ihrer Bühnenpräsenz ist es für die Musiker von VICIOUS RUMORS ein leichtes, die Fans zu begeistern. Selbst Schlagzeuger und Urgestein Larry Howe macht sich bemerkbar. Dazu gibt es eine starke Setlist mit Songs wie „Minute To Kill“, „Lady Took A Chance“, „Down To The Temple“, „Hellraiser“, „Soldiers Of The Night“, „March Or Die“ und „Don't Wait For Me“.

Frenetisch von ihren Fans angefeuert werden auch BENEDICTION, als diese um 20 Uhr die Bühne entern. Jetzt fliegen die Becher in die Luft, und es wird gemosht. Selbst am hintersten Rang steht eine blonde Festivalbesucherin die ihre Mähne in Dauerwindmühle kreisen lässt. Die Band macht Partystimmung und hat offensichtlich sehr, sehr viel Spaß auf der Bühne, sowohl am Spielen als auch miteinander. Die Band und ihre Songs klingen auch recht gut. So bleibt etwa „Vision In The Shroud“ als nice und heavy in Erinnerung. Da zeitlich auf dem Rock Hard Festival kein Spielraum für Überziehungen ist, lassen die meisten Bands das Zugabespielchen weg. BENEDICTION gehen damit ganz offen um: „Pretend for one moment that we just walked off the stage...“, dann kam, was sonst eigentlich Zugabe wäre.

Die Sonne weicht während des BENEDICTION-Auftrittes schon den Schatten. Die frostigste Performance des Wochenendes folgt als Freitagsheadliner. Um 21:43 startet das Intro-Tape zu „Danse Macabre“ und nach einem ikonischen „Ugh!“ legen TRIPTYKON richtig los. Man spielt an diesem Abend frühe CELTIC FROST Nummern wie „Into The Crypts Of Ray“, „Morbid Tales“, „Procreation (Of The Wicked)“, „Circle Of The Tyrants“, „Dawn Of Megiddo“ und am Ende „Necromantical Screams“ – natürlich nichts von „Cold Lake“. CELTIC FROST hätten schon mal auf dem Festival spielen sollen, wozu es damals aber nicht kam, erzählt Tom G. Warrior. Das wird jetzt gewisserweise nachgeholt. „Wir versuchen es gebührend zu tun und gedenken auch Martin Ain.“ Musikalisch gibt es zwar nichts auszusetzen, aber es wirkt doch sehr statisch und wäre in einem Club wahrscheinlich besser zur Geltung gekommen. Das Publikum ist sich jedenfalls sehr uneinig, die einen finden es schrecklich langweilig, die anderen voll geil.

Ein Schreckmoment folgt nach der Show, als ein Check auf Google-Maps zeigt, dass der sonst immer vor dem Gelände abfahrende Nachtbus dieses Jahr nicht mehr fährt, daher schnell noch zum regulären Bus und dann zur letzten U-Bahn, wo sich andere Besucher noch angeregt über den Festivaltag und die Szene im Pott unterhalten. So soll Gelsenkirchen außer dem Rock Hard Festival nichts mehr zu bieten haben, Essen und Bochum seien die besseren Städte für den Heavy Metal.


TAG 2

Von MIDNIGHT RIDER höre ich leider nur noch die zwei letzten Songs, die lassen vermuten, dass das ein ganz gutes Set war.

Es folgen KNIFE, die zum dritten Mal innerhalb eines Jahres auf einem Festival in der Gegend spielen, und das ist der beste Auftritt davon. Sänger Vince Nihil ist gut drauf und schon um 13:30 in Bierlaune. „Black Leather Hounds“, „I Am The Priest“, „Demon Wind“ (tolles Bassintro), „White Witch Black Death“ und das BATHORY Cover „Sacrifice“ heizen gut ein.

Danach gibt es eine Planänderung. Da der Flug von NESTOR gestrichen wurde, kommen diese erst später an, somit rutschen DEPRESSIVE AGE und VOIVOD (Ersatz für DISCHARGE) nach vorne.

DEPRESSIVE AGE, der Name ist bekannt, noch nie hineingehört, aber die Erwartungen sind relativ hoch. Das Bass- und Schlagzeugintro klingt schon mal vielversprechend, dann setzt die Gitarre ein, so weit so gut, dann kommt der Gesang und ab da geht es bergab. Es klingt schief und schräg und zieht sich und zieht sich. Düsterer Thrash Metal war die Erwartung, stattdessen gab es schiefe Töne und Gejaule ohne Ende. Als vierten Song gibt es „World In Veins“: „Ein Song über Zerrissenheit, Eifersucht, Verantwortung für Kinder...“ Fußpilz, verstopfte Toiletten und Weltschmerz. Das nächste Stück ist dank Duettpartner zwar besser, aber danach wurde der Fluchttrieb zu groß. Wie es ein Festivalbesucher auf dem Punkt brachte: „Die werden ihrem Namen gerecht.“

Ungemein angenehmer ist es draußen auf den Bänken im Bereich des Satanoriums, mit einer sehr sympathischen schweizer Truppe (liebe Grüße!) ein Bier zu trinken. Gruß auch an die angeheiterten Nürnberger, die kurz an den Tisch kamen. Bald kamen auch noch lokale liebe Bekannte hinzu.

VOIVOD (eine tolle Liveband) fielen dem gemütlichen Beisammensein zum Opfer, aber das ist das schöne am Rock Hard Festival, dass das Lineup für manche zweitrangig macht, das Wiedersehen und Kennenlernen netter Menschen. Das Rock Hard Festival ist mit seinen maximal 7500 Besuchern zwar einerseits so groß, dass es zahlreiche Menschen von weit her anlockt, aber nicht so groß, dass es unmöglich ist, sich über den Weg zu laufen und auch nicht von Partymetallern überlaufen.

Um 16 Uhr steht die erste von insgesamt vier „Kumpels in Kutten“ Lesungen des Wochenendes an. Band drei der Buchreihe legt den Fokus auf den Blick von außen auf die Metalszene im Ruhrpott. Passend dazu ist einer der ersten Gäste, die bei Autor Holger Schmenk sitzen, Uwe Harms von Radio Gehacktes (auch Veranstalter des Kuhzifest). Dieser liest ein Stück aus seinem Gastbeitrag vor, wie der Heavy Metal nach Ostfriesland kam und erzählt wie man von dort die Entwicklung im Pott beobachtet hat. Auch wenn andere Entwicklungen länger brauchten, um in Ostfriesland anzukommen („Wir haben Vokuhila erst Ende der 90er getragen.“), kam man dank Tape Trading schon früh an die Demos von TORMENTOR (später KREATOR), „Iron Force“ von DARKNESS und „Bestial Invasion of Hell“ von DESTRUCTION.

Der zweite Gast der ersten Lesung ist Lacky von DARKNESS, der auch um 18 Uhr wieder dabei ist. Die Anekdoten kennt man teilweise schon vom letzten Jahr, sind aber immer wieder unterhaltsam. Neu, dass Wacken DARKNESS schon zwei mal als Newcomer buchen wollte, da bei Spotify die alten Alben nicht gelistet sind und daher der Eindruck entsteht, als würde es die Band erst einige Jahre geben.

Bei der zweiten Lesung um 18 Uhr ist Yorck Segatz von SODOM dabei und die Band das zentrale Gesprächsthema, wie Lacky meint: „Die führende Thrash Metal Band Deutschlands.“ Das Argument ist, dass KREATOR schon in einer eigenen Liga spielen, quasi zu groß geworden sind. Yorck erzählt, wie es zu seinem Einstieg bei SODOM kam, dass er Techniker für ONKEL TOM war und sich um die Stelle bewarb als man nach einem zweiten Gitarristen suchte. Auch wenn er erst fünf Jahre bei der Band ist, ist er versiert genug, in der Bandgeschichte um auch Geschichten aus früheren Zeiten zu erzählen.

Am Sonntag sind dann Maurice Swinkels von LEGION OF THE DAMNED und Björn Gooßes von THE VERY END (auch Sänger bei HARKON und bekannt für sein Artwork) zu Gast.

BRIAN DOWNEY'S ALIVE AND DANGEROUS geben THIN LIZZY-Songs zum Besten. Sänger/Bassist Matt Wilson klingt ungefähr so viel nach Phil Lynott wie er wie dieser aussieht. Er versucht zwar, Eigenheiten zu kopieren (Afro, Blue Jeans, schwarze Lederjacke und T-Shirt), sieht aber selbst ohne Brille und mit etwas zugekniffenen Augen überhaupt nicht nach Phil Lynott aus. Die Maskerade wäre nicht nötig, was man hier bekommt, ist eine sehr gute Coverband (auch wenn mit dem dreimal während des Sets vorgestellten Brian Downey ein Original am Schlagzeug sitzt). Der Sound ist sehr gut und Michal Kulbaka (tolles Solo bei „Warriors“) sowie Joe Merriman machen einen sehr guten Job an der Gitarre. Lediglich bei „Dancing In The Moonlight“ ist die Band zu wuchtig. Die Leichtigkeit und das Verträumte des Songs gehen verloren, und in der Stimme fehlt das Gefühl, da würde ein „Don't Believe A Word“ oder „Killer On The Loose“ besser passen. Die Auswahl der Songs ist ansonsten aber gut, „Are You Ready“, „Jailbreak“, „Emerald“, „Rosalie“, „Still In Love With You“, „Massacre“ und ein Highlight „Cowboy Song“. „The Boys Are Back In Town“ erweist sich als ein Besucherfavorit und bei „Whiskey In The Jar“ wird laut mitgesungen. Am Ende gibt es zum ersten Mal Rufe nach Zugabe. Aber selbst nach so einem gelungenem Auftritt gibt es den vereinzelten, dem das scheinbar nicht gefallen hat. So höre ich jemanden sagen: „Wusste nicht, dass wir hier auf einem Reggaefestival sind. Ich kannte nur ganze zwei Songs von denen.“ Reggae? Da hat das Bier wohl auf die Ohren geschlagen.

Danach endlich NESTOR, an denen sich offenbar die Geister scheiden. So kann man Leute hören, die „Das ist ja Popmusik!“ rufend die Tribüne verlassen, während die Band von anderen hart gefeiert wird. Ja, da ist ein Keyboard auf der Bühne, der Mikrofonständer ist mit bunten Tüchern dekoriert, die für noch mehr Bewegung auf der Bühne sorgen, wenn der Ständer herumgewirbelt wird. Hair Metal bzw. Hardrock im Stil der 1980er, sehr melodisch und der Spaßaspekt steht in Vordergrund. Die Musiker albern auch miteinander herum, so bringt der Gitarrist schon mal den Sänger aus dem Konzept, der dann sagt: „I lost my lyrics because of you!“ Als letzten Song gibt es eine Coverversion von WHITNEY HUSTONs „I Wanna Dance With Somebody“. Okay, das ist schon zu sehr Pop, aber viele im Publikum klatschen und singen mit und rufen danach noch nach einer Zugabe.

Als SODOM nach nur wenigen Stunden als Ersatz für EXODUS angekündigt wurden, sorgte das bei einigen in den sozialen Medien für Unmut. Schon wieder SODOM auf dem Rock Hard Festival, und es ist nicht so als ob die Band sonst selten in der Gegend zu sehen wäre (in diesem Jahr noch im Juli beim Ruhrott Rodeo in Hünxe, Oktober in Bochum auf dem Turock Fest und im Dezember steht eine Soloshow in Oberhausen an), von daher hätten sich viele einen anderen Ersatz gewünscht. Ja, kurzfristig eine Band zu finden, die den Slot übernehmen kann, ist schwierig, es hätte aber wahrscheinlich auch ein etwas weniger großer Name getan (auch wenn die Running Order etwas geändert hätte werden müssen). Aber als „Silence Is Consent“ das Set eröffnet, kann man schnell sehen, dass der allergrößte Teil der Besucher mit dem Ersatz zufrieden ist. Die Performance auf dem Festival 2018 war ja nicht so besonders, aber jetzt hat man hier ein sehr gut eingespieltes Team, alte Profis, die wissen wie es geht, und auch der damalige Neuzugang Yorck strahlt auf der Bühne mehr Selbstbewusstsein aus. Die oldschool Songauswahl kommt gut an, u.a.„Nuclear Winter“, „Sodom And Gomorrah“, „Outbreak Of Evil“, „Sodomy And Lust“, „Agent Orange“, „Caligula“, „Blasphemer“ und natürlich „Bombenhagel“. Besonders schön ist, dass die Band dem kürzlich verstorbenen Algy Ward gedenkt und den TANK Song „Don't Walk Away“ spielt. Tom Angelripper spricht aber auch das Gesprächsthema des Tages unter vielen Festivalbesuchern an: Fußball. „Die obligatorischen Fußballsprüche lassen wir mal weg“, der Schalkefan geht lieber direkt zum „Frustsaufen“ über. Mit SODOM hat das Rock Hard Festival auf eine sichere Bank gesetzt. Und was man zu Beginn noch nicht ahnen konnte, sie waren der eigentliche Headliner des Abends, denn was danach folgt, ist nur noch der Rausschmeißer. 

Großer Umbau für TESTAMENT. Meine Vorfreude darauf, sie zum ersten Mal live zu sehen, wurde bereits im Vorfeld etwas getrübt, da Alex Skolnick nicht dabei ist und stattdessen Phil Demmel aushilft. Leise kommt da was von der Bühne. Spielt da ein Tape oder ist es schon die Band? Tatsächlich, TESTAMENT haben angefangen zu spielen. „Mein Autoradio auf kleinster Stufe ist lauter“, soll ein Besucher gesagt haben. Trotz oder wegen eigenem Soundman, ist der Auftritt ein Desaster. Es wird zwar irgendwann etwas lauter, aber in dem Soundbrei ist es völlig egal, wer da unten an der Gitarre (die man kaum vernehmen konnte) spielt. Man kann zwischendurch Songs wie „Children Of The Next Level“ oder „Over The Wall“ ausmachen, aber dem Aufmerksamkeit zu schenken, ist nicht zumutbar. Da genießt man lieber die nette Gesellschaft und hat Spaß. Man kann sich ja jetzt sogar unterhalten, ohne besonders laut zu werden. TESTAMENT? Mal später die Übertragung vom Rockpalast gucken, vielleicht klingt es da je etwas besser. So war der Plan, aber nein, dazu kann ich mich nicht aufraffen.

Dass man trotzdem danach glücklich nach Hause geht, liegt nicht an der Performance von TESTAMENT. Viele verließen das Festival an dem Tag früher und manche sollen Becher in das Zelt mit dem Mischpult geworfen haben. Das besonders Schlimme, es ist nicht das erste Mal, dass die Band auf dem Festival einen katastrophalen Sound hat. TESTAMENT wird man dort wohl so bald nicht wieder sehen.

TAG 3

Am Sonntagmittag ist das Festival, wie jedes Jahr, noch nicht so gut besucht, aber doch schon ganz schön voll für die Uhrzeit. Besonders vor der Bühne ist es bereits gut gefüllt. IRON FATE machen den Anfang. Gute Stimme, die Band klingt gut, die Bühnenpräsenz ist eher mäßig. Das Publikum wird auch mal zum Mitsingen aufgefordert, aber so recht will das zum Mittag noch nicht klappen. Trotzdem, wer früh da war, wurde nicht enttäuscht.

Die zweite Band des Tages ist UNDERTOW, die es seit 30 Jahren gibt, dieaber noch nie auf dem Rock Hard Festival gespielt hat. Wie DEPRESSIVE AGE eine Band, die bei mir bisher unterm Radar lief, aber sie klingen echt gut. Als sie „Shadows“ vom aktuellen Album „Bipolar“ spielen, notiere ich mir, dass ich in das Album mal reinhören muss. Der Sound ist schön fett, wenn bloß TESTAMENT am letzten Abend so geklungen hätten. Minuten später erwähnt Sänger Joschi ein Livealbum von TESTAMENT, auf welchem Chuck Billy: „Fuck the rain!“ schreit. Das möchte er das Publikum hier auch schreien hören. Bei strahlendem Sonnenschein ist da aber scheinbar niemand in der Stimmung dazu. Zusätzlich kommt Björn Gooßes auf die Bühne zur vokalen Unterstützung.

Etwas ganz anderes wird im Anschluss mit WUCAN präsentiert. Heavy Flötenrock. „Ey na na na. Ey na na na...“, von der Brillanz eines „Hocus Pocus“ von FOCUS ist man weit entfernt. Und der weibliche Flötenschlumpf am Mikro ist kein Thijs van Leer oder Ian Anderson. Das kurze Rumgenudle auf der Flöte wirkt eher wie ein Gimmick, ähnlich wie der Einsatz des Theremin. Die Frontfrau beherrscht aber auch die Gitarre, die sich besser in die Songs einfügt. Musikalisch zwar ganz passabel, recht statisch auf der Bühne und insgesamt doch etwas langweilig, sodass ich nach den ersten Songs weiter ziehe. Auch die darauf folgenden LEGION OF THE DAMNED werden pausenbedingt ausgelassen.

Wie schon im letzten Jahr, gibt es auch diesmal ein Zelt in der die „Painted In Blood“ Ausstellung stattfindet, wo Prints der Künstler Björn Gooßes, Jan Meininghaus und Thomas Ewerhard zu bewundern sind. Man kann sie auch käuflich in diversen Ausführungen und Größen erwerben. Vom 15 Euro Druck auf mattem Papier bis zum 300 Euro Print auf großer Leinwand ist für verschiedene Geldbeutel etwas dabei. Für diejenigen ohne Budget oder Platz gab es eine Auswahl kostenlose Postkarten. Das Artwork zum diesjährigen Festival ist auch ausgestellt, wurde bereits von Mitgliedern einiger Bands signiert (TRIPTYKON, HOLY MOSES, MOTORJESUS, VICIOUS RUMORS, BENEDICTION, BRIAN DOWNEY'S ALIVE AND DANGEROUS) und wird am Sonntag zugunsten des Tierheims Gelsenkirchens verlost. Der zweite und dritte Gewinner erhält einen Artprint nach Wahl.

Auf und vor dem Festivalgelände findet man auch dieses Jahr einige Stände mit Merch und mit subkulturkonformen Ramsch. Das Essen an den Imbissständen ist zwar, typisch Festival, kein kulinarischer Gaumenschmaus und teuer, aber an Auswahl mangelt es nicht. Vom Grillstand zum veganen Stand, asiatisch, Pizza, Currywurst, Pommes, Crêpes, Burger, Fischbrötchen, Eis, da müsste für jeden irgendwas dabei sein. Über die Getränkepreise wurde bereits im Vorfeld gejammert, aber das 0,4 Liter Bier blieb bei den 5 Euro vom Vorjahr, Wasser kostet jetzt 3,50. Dazu kommt 1 Euro Becherpfand. Klar, je nachdem wie viel man konsumiert (und wenn dann noch teure Cocktails hinzukommen), kommt da ein ein schönes Sümmchen zusammen. Aber mal ehrlich, kauft nicht jeder von uns das Jahr über immer wieder überteuertes oder unnötiges Zeugs, vom Coffee-to-go bis zum vierzigsten T-Shirt? Da kann man die paar Euro mehr für das Festival auch zur Seite legen.

Was viele nicht ganz zu Unrecht kritisieren ist, dass man, wenn man das abgegrenzte Gelände mit seinem Bier verlässt, um z.B. draußen was zu essen oder man sich dort ein Bier kauft (ebenfalls wie drinnen am Veltins-Stand, draußen gibt es aber auch Guinness für 6 Euro), man damit nicht mehr von der Security hereingelassen wird und somit gezwungen ist draußen auszutrinken. Während nachvollziehbar ist, dass man nicht möchte, dass Leute mit den Bechern raus gehen und sie dann beispielsweise mit selbst mitgebrachtem Bier vom Parkplatz befüllen, müsste sich doch eine andere Lösung für das Problem finden lassen (z.B. Stempelkarten für draußen an den offiziellen Ständen gekaufte Getränke, wo die Security am Einlass den Stempel durchstreichen müsste, zwar etwas mehr Aufwand, meist gibt es keine langen Schlangen am Einlass, also bewältigbar und weniger Ärger bei den Gästen).

Um 16:45 Uhr starten ENFORCER. Der Sound ist nicht ganz optimal, klingt etwas übersteuert, aber wer die Band schon mal live gesehen hat, weiß wie gut sie sind und dass Sänger Olof Wikstrand live wie auf Platte klingt. Die Band ist tight, hat Energie, und man wartet mit einer kleinen Pyroshow auf. Gespielt werden u.a. „From Beyond“, „Death Rides This Night“, „Coming Alive“ (vom vor kurzem veröffentlichten Album „Nostalgia“), „Mesmerized By Fire“ und „Take Me Out Of This Nightmare“. Rund zehn Minuten vor dem geplanten Ende des Sets geht die Band kurz von der Bühne und kommt dann noch mal raus, mit Bier in den hoch erhobenen Händen. „I was just about to hit the shower....“ Ja, ja. Als (ohnehin geplante) Zugabe spielen sie noch „Midnight Vice“.

Kurze Essenspause. Das grausame Heavy Metal Bar Piano sorgt dafür, dass ich nicht lange in der Nähe des Satanoriums verweile.

Die „Freunde der leichten Muse“ kommen bei TANKARD voll auf ihre Kosten. Eine weitere Band, die man vielleicht öfter zu sehen bekommt als einem lieb ist (u.a. zum vierten Mal auf dem Rock Hard Festival), aber die wahrscheinlich am wenigsten nervige von allen Bier- und Partybands. Sehr gute Musiker, und Gerre ist ein sehr unterhaltsamer Frontmann. Das muss man Ihnen lassen, sie wissen wie man das Publikum in Fahrt bringt. Da wird auch direkt mit bestimmten Fans interagiert („Hier vorne, du in der ersten Reihe, wirfst mir die ganze Zeit Küsschen zu, wie soll ich mir da den Text merken?“), aufgefordert mit ihnen eine Runde zu tanzen und in den Mosh Pits wird zeitweise fröhlich rumgehüpft. Die Setlist ist bunt gemischt mit alten und neueren Songs, „Ex-Fluencer“, „Rules For Fools“, „Chemical Invasion“ oder „Beerbarians“. Zum Schluss, wie üblich, „(Empty) Tankard“, das Publikum vor der Bühne hüpft freudig auf und ab und dann kommt noch Sabina Classen auf die Bühne und stimmt mit ein. Als Outro läuft die Titelmusik von Derrick und so energisch wie in einer Folge Derrick geht es weiter.

Völliges Kontrastprogramm zu TANKARD wird mit KATATONIA geboten. Eigentlich war ich auf die Band gespannt, aber nach vier Songs steht fest, langweilig, langatmig, null Frontmannqualitäten (nach Gerre hat man es aber auch schwer), die ganze Band wie auf der Bühne festgenagelt. Den Rest spare ich mir. Wahrscheinlich sind sie auf Platte besser.
Was düstere Klänge betrifft, gab es diesmal keine Band die SULPHUR AEON vom letzten Jahr (spielten auch ein sehr gutes Set auf der Warm-Up Party in Lünen) das Wasser reichen konnte.

Vor der letzten Band betritt Rock Hard Mitbegründer Holger Stratmann die Bühne und bedankt sich bei allen für das gelungene Jubiläumswochenende (40 Jahre Rock Hard Magazin, 20 Jahre Rock Hard Festival, 25 Jahre Continental Concerts & Management GmbH). Anschließend wird noch eine Schecter Gitarre verlost.

Das Festival endet mit einem richtigen Highlight. Die MICHAEL SCHENKER GROUP beeindruckt mit einer superben Performance. Die Reaktionen im Publikum sind leider ziemlich verhalten (wahrscheinlich noch im katatonischen Zustand nach dem vorhergehendem Act oder schlicht und einfach ausgelaugt). Der Sound ist gut, das Keyboard nicht zu dominant, Schenker (mit seiner dicken Mütze) an der Gitarre, wie erhofft, großartig, Ronnie Romero live als Sänger hammermäßig, der Rest der Band auch tadellos. Gespielt wird ein Best Of aus Michael Schenkers Karriere.
Das Set beginnt passend mit „Into the Arena“ und besteht neben anderen MSG Klassikern wie „Cry For The Nations“, Looking For Love“, „Red Sky“, „Emergency“ sowie „Assault Attack“, auch aus UFO Songs wie „Doctor Doctor“, „Lights Out“, „Let It Roll“, „Rock Bottom“ und „Too Hot To Handle“. Das Ende kommt etwas plötzlich nach „Only You Can Rock Me“ (warum nicht „Lights Out“ zum Abschluss?), aber die MICHAEL SCHENKER GROUP war ein würdiger Headliner.

Insgesamt war auch das diesjährige Rock Hard Festival ein Erfolg. Genügend gute Bands (auch wieder neue entdeckt), ein paar Autogramme (es gab wieder Autogrammstunden), schöne Szenerie, gemütlich auf den Treppen sitzen (wenn man nicht stehen wollte), gutes Wetter und liebe Menschen. Jetzt kommt erst mal das Tief nach dem Festival und dann die Vorfreude auf das nächste Jahr. Man sieht sich hoffentlich wieder!


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