JETHRO TULL - War Child 40th Anniversary Edition

Artikel-Bild
VÖ: 28.11.2014
Bandinfo: JETHRO TULL
Genre: Progressive Rock
Label: Warner Music
Hören & Kaufen: Amazon | Ebay
Lineup  |  Trackliste

Wenn es Jemanden gibt, der Remixes von altem Material in 5.1 Surround drauf hat, dann Steven Wilson. Der Produzent, bekennende Prog Rock-Fan und Frontmann von PORCUPINE TREE hat schon Alben von KING CRIMSON, YES, EMERSON, LAKE & PALMER, GENTLE GIANT oder eben JETHRO TULL unter seine Fittiche genommen.

Sein neuestes Werk ist nicht weniger als die Neuauflage eines Kultalbums, das die Rückkehr von JETHRO TULL zu ihrer „alten“ Songstruktur bedeutete – nachdem sie sich mit „Aqualung“, „Thick As A Brick“ und „A Passion Play“ in schwindelerregende Komplexitätshöhen aufgeschwungen hatten.

Beinahe so interessant – oder eigentlich interessanter – ist die Auflage der Orchesterversionen. Sie waren ursprünglich als Soundtrack für ein Filmprojekt gedacht, das aber nie verwirklicht wurde.

Die vorliegenden CDs und DVDs und BluRays haben also verschiedenste Funktionen:
Sie holen Musik von vor vierzig Jahren technisch in unsere Zeit und ermöglichen es, klassische Tracks in Superqualität anzuhören. Der Charme der Vinylversion am Röhren-Amp geht aber definitiv verloren. Durch die Filmtracks taucht Material auf, das bisher weitgehend unveröffentlicht ist, der Remix bietet also auch Neues.
Und „War Child“ wird als brandneuer Stereomix zum Downoad, als CD und als Vinyl in 180 Gramm Stärke angeboten.

Als Fan beinahe der ersten Stunde – 1967 konnte ich schon radfahren und 1974 hatte ich schon einen Plattenspieler – steigen die Erwartungen an eine solche Neuauflage schnell in Höhen mit extrem dünner Luft. Zudem verberge ich meine allgemeine Aversion gegen Re-Releases schlecht bis gar nicht. Nehmen wir das Teil also unter die Lupe.

First; ausser den erwähnten Orchesterversionen gibt es natürlich keine neuen Tracks – das war ja auch nicht der Sinn. Zudem wurden die Songs verständlicherweise nicht neu eingespielt.

Second; das Ganze ist als ein Stück Geschichte oder Kult zu betrachten, eine Art Geburtstagsgeschenk zum Vierzigsten, vielleicht auch ein Abschiedsgeschenk an die Band, die sich dieses Jahr nach 47 Jahren Bühne offiziell aufgelöst hat.

Die einzelnen Songs haben nichts von ihrer Faszination verloren, besonders die zwei Hits „Bungle In The Jungle“ und „The Third Hoorah“.

Ausser JETHRO TULL hat es keine Band je geschafft, die Querflöte als Soloinstrument zu etablieren – nicht einmal Pagan-Kapellen geben dem Instrument mehr Platz als jenen im Hintergrund. Zudem spielt Anderson das Instrument nicht nur sehr gut, er hat auch seinen eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelt.

Dass er ausserdem mit einer charakteristischen Stimme und einem enormen Potenzial an Kreativität und Musikalität gesegnet ist, erfreut einem bei der hohen Qualität der vorliegenden Aufnahme doppelt.

Bestimmt passt das Album auch in eine Zeit, in welcher progressiver Sound eine Art Reunion erlebt und psychedelische Elemente in vielen Facetten und verschiedenen Genres Auferstehung feiern.

Warchild bleibt Kult und kann hier in exzellenter Qualität genossen werden.

Ich habe mir die Mühe gemacht und die digitale Version mit meiner Vinyl verglichen – die neue Version hat es in sich. Es entsteht eine neue Intensität, eine Kompaktheit und gleichzeitige Trennschärfe, welche den Verlust der typischen Wärme der Schallplatte verschmerzen lässt.

Was mir nicht gefällt und den Gesamteindruck trübt – die Orchesterversionen sind als Soundtrack konzipiert, bieten für das reine Hören also keinen Mehrwert, erscheinen insgesamt als zu schwülstig, zu überladen, zu britisch – eindeutig zuviel Plumpudding und Miss Marple – Attitüde.

Was auch gesagt werden muss – auch die erwähnten Tracks haben nicht mehr das Potenzial und die Faszination, welche die Hammersongs „Aqualung“, „Locomotive Breath“ und „Too Old To Rock’n’Roll, Too Young To Die“ hatten.

Als Ganzes ist die Box aber eine gelungene Neuauflage, angereichert mit neuem Material, in einer beeindruckenden Qualität und als Sammelbox unverzichtbares Element zumindest für die gut sortierte Fan-Sammlung.

Wer also ein Weihnachtsgeschenk für den Onkel oder die Oma sucht – oder für jüngere Progrockfans – kann hier nicht danebenliegen.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Danny Frischknecht (12.12.2014)

WERBUNG: Innfield Festival
ANZEIGE
ANZEIGE