HAKEN - Virus

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VÖ: 05.06.2020
Bandinfo: HAKEN
Genre: Progressive Rock
Label: Inside Out Music
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Lineup  |  Trackliste

Hallo, was ist denn da los? HAKEN legen auf der neuen Scheibe „Virus“ (nein, dazu gibt es keine Anmerkungen, das wäre zu einfach… es möge sich jeder selber eine möglichst plausible und/oder ironische Verbindung zu Corona überlegen) ungewohnt heftig los. Der Opener „Prosthetic“ ist wohl einer der härtesten und straightesten Nummern der Briten. Wenn da nicht die zwischendurch 80er-Jahre-Keyboards (ein Verweis auf das herrliche „Affinity“?) auftauchen würden, wäre man (vor allem beim Schlussriff) eher an nüchterne BLACK LABEL SOCIETY erinnert als an die Progmeister. Da freut man sich auf (hoffentlich baldige) Live-Konzerte, wenn Drummer Raymond Hearne dabei dem Drumset die Seele aus dem Leib prügeln kann.

Man merkt aber bald, dass „Prosthetic“ eher ein Ausreißer ist, bei den folgenden Tracks „Invasion“ und „Carousel“ kommen die klassischen HAKEN-Tugenden wieder deutlich hervor: verspielte Prog-Riffs wechseln sich mit ruhigen Momenten ab, vertrackte Grooves blitzen immer wieder auf, und über allem steht die Stimme von Ross Jennings (der bei „Virus“ wohl die beste Leistung seiner bisherigen Karriere zeigt). Gerade „Carousel“ (mit über zehn Minuten das längste Stück auf der Scheibe) begeistert von der ersten Minute an, der Track ist komplex, aber immer spannend, der Refrain einer der schönsten, die HAKEN jemals geschrieben haben. Ab und zu wird man fast an (fröhlichere) OPETH erinnert, nur die vielstimmigen Parts hätten die Schweden so wohl nicht hingekriegt. „The Strain“ ist dann eher ruhig und melancholisch, dabei kommt die Extraklasse der Texte besonders heraus („when will my signal turn to noise / from a whisper to a scream“), und „Canary Yellow“ (die Nummer das Cover beschreibt – das mit seinem kanariengelb übrigens der perfekte Gegenpart zum knallroten Vorgänger „Vector“ ist) als ruhigster Teil der Scheibe (und passende Antwort auf den knackigen Opener).

Was dann kommt, sorgt zunächst für Verwirrung, dann für Erstaunen, dann für Begeisterung: das fünfteilige „Messiah Complex“ spielt immer wieder mit Versatzstücken von „The Mountain“ und „Vector“, sei es leicht verfremdete Riffs (wie bei „Ivory Tower“), Gesangslinien (die legendären vielstimmigen Vocals vom „Cockroach King“ tauchen bei „The Sect“ wieder auf) oder Refrain-Parts (ein Stück vom „Puzzle Box“-Refrain taucht bei „A Glutton For Punishment“ auf). Das sorgt dafür, dass man immer wieder stutzt, weil man Teile der Songs schon mal (aber leicht anders) gehört hat, aber das funktioniert perfekt, weil die Parts stimmig in die „neuen“ Songs integriert sind – und nachdem die auch nicht von schlechten Eltern sind (man höre die obergeilen Prog-Riffs von „A Glutton For Punishment“ oder „Ectobius Rex“!), fühlt sich das mehr wie eine Bereicherung als wie eine Wiederholung an. Und das folgt tatsächlich einem Konzept - „Virus" soll als Abschluss der „The Mountain"-Thematik um den „Cockroach King" dienen, die auf „Vector" fortgesetzt wurde.

Auch nach oftmaligem Hören kann man bei „Virus“ keine wirkliche Schwäche ausmachen – es gibt keinen Ausreißer nach unten, der Sound ist druckvoll aber klar, die Riffs sind gewohnte Extraklasse, die Vocals hervorragend. Anscheinend sind HAKEN eine dieser Bands, die einfach keine schlechten Alben machen können (vermutlich wollen sie das aber auch nicht), „Virus“ braucht sich vor Großtaten wie „Affinity“ oder „The Mountain“ nicht verstecken (und der Vorgänger „Vector“ übrigens auch nicht, den habe ich zu meiner großen Schande rückblickend gesehen viel zu niedrig bewertet – die Scheibe wird mit jedem Hören besser).



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Luka (18.06.2020)

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