POLYPHIA - Remember That You Will Die

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VÖ: 28.10.2022
Bandinfo: POLYPHIA
Genre: Instrumental / Shred / Fusion
Label: Rise Records
Lineup  |  Trackliste

Sieht man den Albumtitel des jüngsten Machwerks von POLYPHIA, hat man fast Angst, dass die jungen Instrumental-Meister auf die düstere Seite gewechselt sind – „Remember That You Will Die“ ist jetzt mal kein Stimmungsmacher. Der Eindruck täuscht jedoch, wie man schon beim ersten Track „Genesis“ hören kann – ein ganz feiner, funky-verspielter Song, den das Produzenten-Duo BRASSTRACKS nochmals mit Trompeten veredelt.

Also schon mal ein gutes Zeichen, und in der Tonart geht es weiter: „Playing God“ ist schon mal auf Youtube ein absoluter Renner, und zu Recht – die Gitarristen Tim Henson und Scott LePage lassen geschmeidige Fingerstyle-Riffs klingen, die auch von PACO DE LUCIA sein könnten, und zwischendurch gibt’s einen entspannten Strandmusik-Teil. Nach „The Audacity“ (in dem Fall unterstützt von Synths von ANOMALIE, die sich jedoch eher im Hintergrund halten, und wo auch der Bass von Clay Gober mehr Platz erhält) kommt mit „Reverie“ der nächste Hit – so gut gelaunt und mit Ohrwurm-Charakter hat man die Amis schon lange nicht gehört.

Und mit Features ohne Ende geht es weiter – „ABC“ mit Sophia Black wird eine Geschmacksfrage für jeden Hörer sein, ihr „Rap“ ist eher gewöhnungsbedürftig und die (zum Teil) japanischen Lyrics sind zwar sehr kawaii aber können auch mal nerven. Dafür ist der Refrain ein feiner Pop-Hook, der auf jeden Fall im Ohr hängen bleibt, und die Vocals und Riffs schmiegen sich gekonnt aneinander. „Memento Mori“ (wieder mit Rap-Feature) bleibt eher unspektakulär, und „Fuck Around And Find Out“ ist ähnlich wie „ABC“ Geschmackssache – die effektbeladenen Vocals von $not können gefallen, müssen aber nicht.

Die nächsten zwei Tracks sind wieder rein instrumental – und möglicherweise liegt es an den vorhergehenden Features mit Vocals, dass diese wieder sehr positiv auffallen, gerade „All Falls Apart“ ist in bester geschmeidiger POLYPHIA-Tradition gehalten. Am Ende der Scheibe kommt wieder ein Feature-Triple – LIL WEST und das Zusammenspiel aus Latin- und verzerrten Gitarren machen „Chimera“ düster aber interessant, und das Feature mit Chino Moreno fällt überhaupt aus dem Rahmen. Das Zusammenspiel der schwermütigen DEFTONES-Gedächtnisvocals mit den instrumentalen Verrenkungen von POLYPHIA ist zumindest denkwürdig wenn auch nicht herausragend. Und am Ende hat bei „Ego Death“ nochmal der große alte STEVE VAI einen Auftritt – damit trifft die junge wilde Garde auf den Altmeister. Zumindest beim Posen hat STEVE VAI noch den Vorzug, instrumental stehen ihm POLYPHIA um nichts nach.

Auf „Remember That You Will Die” kommen viele der besten Seiten von POLYPHIA wieder zum Vorschein – die genialen Fähigkeiten der Gitarren-Fraktion unterstützt vom Bass und wieder mal perfekt vom Drumming von Clay Aeschliman (wie der Typ Akzente setzen kann und die Musik unterstützt, ohne sich in den Vordergrund zu spielen – hervorragend!), das mühelose Wechseln zwischen den Stilen und das gute Zusammenspiel mit den vertretenen Gästen, wo Vocals und Riffs genau aufeinander abgestimmt sind.

Auf der anderen Seite ist die Scheibe mit vielen Gastauftritten gespickt, die mal dezent im Hintergrund bleiben, aber öfter auch den Vordergrund übernehmen. Und damit zum Teil auch den Fokus von der Instrumentalarbeit nehmen, die ja doch das Herausragende an POLYPHIA war und ist – und vor allem die Rap-/HipHop-Features sind dann Geschmackssache, die wohl die jüngeren, internet-affinen Fans eher gefallen werden als denen, die mit POLYPHIA als Instrumental-Band groß geworden sind.

Damit wird der Eindruck von „Remember That You Will Die“ sehr von den jeweiligen Hörgewohnheiten der Fans abhängen – die Scheibe hat auf jeden Fall mehrere Hits zu bieten und auf ein paar gute Tracks wird man sich einigen können, der Rest bleibt jedem Hörer selbst überlassen.



Bewertung: 3.5 / 5.0
Autor: Luka (04.11.2022)

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