GRENZENLOS - 10 Jahre AntiXtrem

Re-Releases, Special Editions und dergleichen sind gelegentlich wie der juckende Eiterpickel am Pförtner des Promomanagers – besonders, wenn besagte Veröffentlichungen wenige Monate nach dem regulären Release mit fragwürdigen Gimmicks auf den Markt inflationiert werden und außer medialem Auftriebserhalt keinem höheren Zweck dienen. Normalerweise muss ich bei derartigen Einsendungen eine Art inneren Brechreiz unterdrücken und den digitalen Müllbunker beschicken, doch im Falle von GRENZENLOS und ihrer Neuauflage von "AntiXtrem" war ich von Anfang an guter Dinge und nicht verlegen, den zeitgemäß als "Doppel-Wumms" angepriesenen Höhepunkt des zehnjährigen Bandjubiläums genauer unter die Lupe zu nehmen.

Im Grunde war schon abzusehen, dass man von der motivierten Allgäuer Deutschrocktruppe keinen halbgaren Murks erwarten darf, was sich am Ende auch bewahrheiten sollte. Denn "10 Jahre AntiXtrem" enthält zunächst das komplette "AntiXtrem"-Album und on top vier neue Stücke inkl. des bereits veröffentlichten "10 Jahre" sowie einen kompletten Mitschnitt der Hannover-Show im Rahmen von FREI.WILDs "Wir schaffen Deutsch.Land"-Tour.

Die vier neuen Tracks halten das Niveau souverän und reihen sich nahtlos in den "AntiXtrem"-Zyklus ein, so dass sie als konsistentes und sinnvolles Add-On zum Hauptalbum gewertet werden können. Neben einer weiteren Nummer geht hierbei besonders das melancholisch-schwere und zugleich druckvoll gezockte "Wenn das Licht einmal ausgeht" ins Ohr – eine aufmunternde Ode an das Leben und das Hier und Jetzt.

Das zweite herausstechende Stück dürfte gleichwohl die am stärksten polarisierende Komposition der Bandgeschichte darstellen: der feuereifrige Liebesbrief an die "Letzte Generation" – ein Song, den man entweder inbrünstig lieben oder abgrundtief hassen kann und dessen provozierende Wirkung durchaus gewollt ist. Mit ihrer ausufernden Watschenparade wagt (bzw. watscht) sich das Quartett weit hinaus bis an die Grenze des "Machbaren", doch betont die Band mit der essenziellen Textzeile "Wir verachten eure Form von Protest, nicht die Ziele einer sauberen Welt und auch nicht den Rest", dass sie eben nicht die Ziele an sich, sondern die durchaus streitbaren Aktionen der Gruppierung in Frage stellt. Ein musikalischer Stinkefinger, der wie kaum ein anderer den Nerv der Zeit trifft und trotz einer diplomatisch platzierten Vernunft-Komponente hart provoziert – ganz gleich, ob mit oder ohne vorzeitigen Empörungserguss.

Die Liveshow ist – bedingt durch den Support-Slot – etwas kurz gehalten und hat demnach nur Luft für zwei neue Stücke, doch bietet sie insgesamt eine starke Songauswahl und kommt in einem authentischen Sound daher, der die ausgelassene Stimmung der Tour nachfühlbar konserviert – wer dabei war, weiß, wovon ich rede.

Summa summarum bietet "10 Jahre AntiXtrem" also ein gelungenes Paket, das Erinnerungen an die letztjährige Tour weckt und eine gute Gelegenheit offeriert, die schwarze Rille noch einmal aufzulegen. Für ihren Jubiläumszyklus präsentieren GRENZENLOS damit einen würdigen Abschluss und machen auch in der Disziplin "Pimp-My-Album" eine gute Figur. Da lohnt es sich, auch ein zweites oder drittes Mal hinzuhören.